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Kreuzzug gegen die Kopftücher

■ Kampf um Frankreichs Laizismus: Erziehungsminister will „ostentative religiöse Zeichen“ aus den Schulen verbannen

Paris (taz) – Ein kleines Stück Stoff als Politikum: Fünf Jahre nach der letzten vehementen Debatte über das Recht islamischer Schülerinnen auf ihr Kopftuch hat der französische Erziehungsminister François Bayrou das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Allen SchulrektorInnen des Landes schrieb er am Wochenende „präzise Regeln“ für den Umgang mit den Tüchern vor. „Ostentative religiöse Zeichen“, so der praktizierende Katholik Bayrou, gehörten nicht in die Schulen; sie sorgten für eine Spaltung der Jugendlichen und begünstigten das Auseinanderbrechen der nationalen Gemeinschaft.

Bayrous Ankündigung kam rechtzeitig zu Beginn des neuen Schuljahres, zu dem er angesichts zunehmender islamistischer Bewegungen mehr kopftuchtragende Mädchen als zuvor erwartet.

Während der Sommerpause war bereits sein Kabinettskollege, Innenminister Charles Pasqua, mit verschärften polizeilichen Maßnahmen gegen maghrebinische ImmigrantInnen in Frankreich vorgegangen. Er verordnete zusätzliche Polizeikontrollen, verschärfte die Einreisebestimmungen für AlgerierInnen, wies angebliche Fundamentalisten nach Burkina Faso aus und ortete eine „islamistische Verschwörung“ in Frankreich, die bei einem Attentat auf ein Hotel in der marokkanischen Stadt Marakesch mitgewirkt haben soll.

Ein Kopftuchverbot geistert schon seit 1989 durch die politische Landschaft Frankreichs. Damals hatte ein Schulrektor aus der Pariser Banlieue vergeblich versucht, drei Schülerinnen dazu zu bringen, ihre Kopftücher abzulegen. Die Regierung rief daraufhin den Staatsrat, das Oberste Verfassungsgericht, zu Hilfe. Der Staatsrat gab die Kompetenz im Prinzip an die Schulen zurück; er entschied, daß Kopftücher im Unterricht zulässig seien, solange sie ein Ausdruck der persönlichen Meinung sind. Wenn die Tücher jedoch „ostentativen Charakter“ hätten oder gar mit missionarischen Absichten getragen würden, seien sie in der Schule verboten.

Der Entscheid des Staatsrats löste eine Prozeßflut im ganzen Land aus, die bis heute nicht abgeebbt ist. In Dutzenden von Einzelfällen trafen die Verwaltungsgerichte widersprüchliche Entscheidungen. So bestätigte am 11. Mai ein Gericht in Lyon das Schulverbot für zwei islamische Schülerinnen, wenige Tage später entschied ein Gericht in Orléans in einem identischen Fall genau andersherum. Diese „ungesunde Unsicherheit“ für die Schulen müsse ein Ende haben, erklärte Erziehungsminister Bayrou am Wochenende. Er wußte sich dabei von einer breiten Mehrheit der Franzosen unterstützt: Glauben ist in Frankreich Privatsache – seit 1905 die Trennung von Staat und Kirche Gesetzeskraft bekam. Das Laizitäts- Prinzip gilt vor allem in den Schulen, und betrifft da auch die weit über zwei Millionen MoslemInnen, die zweitgrößte Religionsgemeinschaft des Landes. Die vehementesten VerteidigerInnen dieser Trennung von Staat und Kirche kamen bisher eher aus der Linken.

Das war auch 1989 so, als der sozialistische Minister Lionel Jospin den Staatsrat einberief. Sein jetziger, konservativer Nachfolger Bayrou war damals noch gegen ein Kopftuchverbot, weil das „die Koranschulen stärken“ könnte, was sehr viel schädlicher für die Integration sei. Heute will Bayrou statt dessen einen neuen, eindeutigen Staatsratsentscheid und notfalls sogar ein Gesetz gegen die Tücher.

Während Bayrou seinen Kreuzzug gegen die Kopftücher startet, kommen vom Südrand des Mittelmeeres entgegengesetzte Signale. In Algerien, wo ein großer Teil der muslimischen Gemeinschaft Frankreichs her kommt und enge Beziehungen pflegt, drohte zum Unterrichtsbeginn nach der Sommerpause die „Bewaffnete islamische Gruppe“ (GIA) alle Schulen zu verbrennen, die das Kopftuchtragen nicht zur Pflicht machten. Dorothea Hahn

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