: Kampf dem Sonntags-Kauf
■ HBV will Öffnung am 2.10. verhindern / Furcht vor regelmäßiger Sonntagsarbeit
Zum ersten Mal in der Bremer Nachkriegsgeschichte dürfen die Geschäfte am 2. Oktober an einem Sonntag von 14 bis 18 Uhr öffnen. So hat es Arbeitssenatorin Sabine Uhl am 27. Juli verfügt. Doch hinter den Kulissen tobt ein erbitterter Streit zwischen der Gewerkschaft HBV und dem Einzelhandelsverband um die Frage, welche Läden von dieser Möglichkeit denn nun tatsächlich Gebrauch machen werden. Gestern abend sollte der Konflikt auf einer Kundgebung der HBV in der Lloyd-Passage auch vor der Öffentlichkeit ausgetragen werden, doch Hermann Krauß, Geschäftsführer des Bremer Einzelhandelsverbandes, sagte kurzfristig ab – „aus Termingründen“, wie er der taz versicherte.
Auf „rund 35“ schätzt Krauß die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte, denen die HBV mit einem Nein des Betriebsrates einen Strich durch die geplante Sonntags-Öffnung gemacht hat. Dennoch sei damit zu rechnen, daß fast die gesamte Sögestraße, ganz Vegesack sowie zahlreiche weitere Geschäfte in der Innenstadt und selbst in einzelnen Stadtteilzentren wie der Berliner Freiheit versuchen werden, an der Sonntags-Kundschaft zu verdienen.
HBV-Sekretär Heiner Schilling geht dagegen davon aus, daß „alle Betriebe, in denen es einen Betriebsrat gibt, die Sonntagsöffnung abgelehnt haben“. Das würde zumindest alle Kaufhäuser betreffen. Einzige Ausnahmen laut Schilling: die Innenstadt-Textilkaufhäuser Dyckhoff sowie Peek & Cloppenburg.
Betriebsratsvorsitzende bei Dyckhoff ist Silke Striezel, gleichzeitig Bürgerschaftsabgeordnete der CDU und bis Mai auch Vorsitzende der Bremer HBV. „Die Zustimmung zur Sonntagsöffnung hat der Betriebsrat während meines Urlaubs beschlossen“, sagte sie gestern auf Nachfrage. Angesichts der „sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage“ ihrer Firma hätte sie aber auch selber zugestimmt: „Wir müssen jede Chance nutzen, Umsatz zu erzielen.“
Aus ihrer Not hat Striezel inzwischen eine Tugend gemacht: „Ich gehe davon aus, daß das Umsatzergebnis am 2. Oktober so schlecht sein wird, daß die Diskussion um weitere Sonntagsöffnungen damit erstmal aus der Welt ist.“ Das allerdings sieht ihr Chef bei Dyckhoff genau umgekehrt. „Wenn das Wetter mitspielt, läuft am 2. Oktober der Umsatz bei den Wintermänteln voll an“, sagte Geschäftsführer Matthias Klusmann gestern. Und auch Einzelhandels-Verbands-Chef Krauß möchte am 2. Oktober soviele Argumente wie möglich dafür sammeln, „daß die Sonntagsöffnung beim ersten nicht auch das letzte Mal stattfindet“.
Die Diskussion um den Sonntags-Einkauf wurde in Bremen schon vor 20 Jahren geführt. Damals begannen die kleineren niedersächsischen Umlandgemeinden, mit immer absurderen Begründungen Ausnahmen vom Ladenschlußgesetz zu verfügen. So zum Beispiel am kommenden Sonntag, wenn der Verkaufstag bei Dodenhof unter dem Titel „Gewerbeschau Posthausen“ firmiert. Ende Mai hatte der Textilhändler Harms am Wall in einem Rundbrief an die Bremer Innenstadt-Kaufleute den 2. Oktober als Einstieg in eine „Dauereinrichtung“ angepriesen. Die Einzelhändler wünschen sich als künftigen Termin dafür den mittleren Freimarktsonntag.
„Wegen des besonderen Ausnahmecharakters des ersten Oktoberwochenendes in diesem Jahr mit der bundesweit ausstrahlenden Feier zum Tag der Deutschen Einheit steht nicht zu befürchten, daß diese Ausnahmeregelung präjudizierende Wirkung auf andere Fälle haben wird“, heißt es dagegen in der „Allgemeinverfügung“ zur Sonntagsöffnung von Arbeitssenatorin Sabine Uhl. Darin ist auch festgelegt, daß allen Einzelhandels-Beschäftigten, die am 2. Oktober von 14-18 Uhr arbeiten müssen, „Ersatzfreizeit in Form eines freien Werktages gewährt werden muß“.
Schon aus prinzipiellen Gründen hat die HBV gegen diese Verfügung Widerspruch eingelegt. Über den entscheidet wiederum die Arbeitssenatorin. Und ob sie das noch vor dem 2. Oktober tun werde, konnte ihr Sprecher Jörg Henschen gestern nicht versprechen. Doch ohne Widerspruchsbescheid kann die HBV nicht – wie beabsichtigt – vor Gericht eine Eilentscheidung gegen die Sonntagsöffnung beantragen. HBV-Sekretär Schilling: „Uns geht es dabei gar nicht so sehr um den 2.10., sondern um die Abwehr eines Einstiegs in regelmäßige Sonntagsarbeit.“ Ase
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