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Beamte und Strommafia kämpfen Seit' an Seit'

■ Große Konkurrenten machen es Oststadtwerken schwer, Fuß zu fassen

Berlin (taz) – Die westdeutschen Energieriesen versuchen, den Stromkompromiß in Ostdeutschland zu untergraben. Und viele Beamte helfen ihnen dabei. Gestern stellte Felix Zimmermann, Geschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) das Sündenregister der Genehmigungsbehörden und der Regional- und Verbundunternehmen vor. Es füllt 20 Seiten.

Vor einem Jahr einigten sich Kommunen, Treuhand, das Bundeswirtschaftsministerium und die Energieriesen auf einen Vergleichsvorschlag des Bundesverfassungsgerichts: Alle Gemeinden, die Stadtwerke gründen wollen und sie wirtschaftlich betreiben können, sollten dies tun dürfen. 147 Kommunen haben seither einen Antrag beim jeweiligen Landeswirtschaftsministerium gestellt. Fast die Hälfte wartete vergeblich auf einen Bescheid. „Das ist unkooperatives Verhalten und Blockadepolitik“, so Zimmermann.

Während die Bürgermeister in Thüringen meist von einer zügigen Genehmigung und guten Zusammenarbeit mit den Regionalversorgern berichten können, sind ihre Amtskollegen in Brandenburg ausgesprochen unzufrieden. Von 35 Anträgen wurden dort erst sieben positiv beschieden. In Mecklenburg-Vorpommern lehnten die Behörden gar von 20 Anträgen sieben ab. Begründung: mangelnde Wirtschaftlichkeit. Vor allem kleinen Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern soll das Recht verwehrt werden, einen Teil der Stromversorgung selbst zu übernehmen und damit den Stromriesen Konkurrenz zu machen. Die Einwohnerzahl aber sei kein geeignetes Kriterium, die Wirtschaftlichkeit eines Stadtwerks zu beurteilen, so der VKU- Chef. Im Westen gäbe es über 470 solcher Unternehmen, die größtenteils schwarze Zahlen schrieben. „Die Vermutung liegt nahe, daß mit Hilfe der Paragraph-5- Verfahren strukturpolitische Vorstellungen durchgesetzt werden sollen“, so Zimmermanns Interpretation. Viele Genehmigungen sind auch mit Auflagen versehen, die die VKU als rechtswidrig einstuft. In Sachsen schreiben Beamte einigen Stadtwerken vor, „intensiv Varianten der Zusammenarbeit mit dem Regionalversorger“ zu erforschen und zu dokumentieren. In Sachsen-Anhalt gar stellen die Behörden die Bedingung, daß die Regionalversorger wirtschaftlich an den Stadtwerken beteiligt werden müssen. Und immer wieder sehen sich die Kommunen mit der Klausel konfrontiert, daß sie nicht mehr als 30 Prozent Strom selbst erzeugen dürfen. Dabei steht im Kompromißvorschlag der Richter mit den roten Roben eindeutig, daß sich das 30-Prozent-Ziel auf ganz Ostdeutschland bezieht und einzelne Stadtwerke sehr wohl höhere Quoten erreichen dürfen. „Wir gehen davon aus, daß etwa 23 Prozent des Stroms lokal erzeugt werden wird“, prognostiziert Zimmermann. Die westdeutschen Energievertreter hingegen behaupten, daß die Stadtwerke bis zur Hälfte des lukrativen Geschäfts abwickeln wollten und so gegen den Geist des Verfassungsgerichtskompromisses verstießen. Außerdem werfen sie den Stadtwerken vor, den Kunden nur teureren Strom liefern zu können. „Das ist ein Glaubenssatz der Großkraftwerksbetreiber, der empirischen Daten nicht standhält“, bestätigt Lutz Mez, Energieforscher an der Freien Universität Berlin, hingegen den Standpunkt der VKU. Im Schulterschluß mit vielen Beamten verzögern auch die Regionalversorger eine zügige Umsetzung des Stromkompromisses. Im Norden Ostdeutschlands beherrscht vor allem PreussenElektra das Feld, während in Mitteldeutschland RWE die meisten Regionalversorger betreibt. Lediglich die Bayernwerke gelten dem VKU als kooperativ. Unannehmbare Vertragsklauseln verhindern eine zügige Übertragung der lokalen Kraftwerke und Leitungen an die Kommunen. So will die Essag, hinter der die RWE stehen, beispielsweise nur dann unterschreiben, wenn sie nach fünf Jahren alle Grundstücke und Leitungen zurückbekommt, die die Stadtwerke in der Zwischenzeit nicht für die Stromversorgung genutzt haben. Auch über die Frage, wem die seit 1990 erwirtschafteten Gewinne zustehen und wie die seither vorgenommenen Investitionen verrechnet werden, besteht Streit. Und schließlich versuchen die Regionalversorger in Gemeinden, die nicht an dem Stromkompromiß beteiligt waren, Stadtwerke ganz zu verhindern – obwohl das eindeutig dem Vertrag widerspricht. Annette Jensen

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