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Herzen in High Speed

■ Die sechste Videonale in Bonn ohne Stars und Sponsoren

Beim ersten Hinsehen wirkt es verblüffend originalgetreu: Auf dem Monitor sieht man das Studio des „Heute-Journals“ wie allabendlich um viertel vor zehn; die Studio-Uhr tickt in Echtzeit, sogar das „Heute“-Zeitzeichen piepst einmal pro Minute. Bloß der Streifen, in dem vor Beginn der Sendung normalerweise die Aufmacher durchlaufen, ist leer. Bei der interaktiven Installation des Leipzigers Fred Fröhlich, die am Eingang zur sechsten Videonale im Bonner Kunstverein steht, kann der Zuschauer mit einem Computer seine eigenen Überschriften einsetzen. Oder ein Programm von Fröhlich durchlaufen, das in alphabetischer Reihenfolge die politischen Issues der letzten Monate herunterbetet: ABM, Abtreibung, Abschiebehaft, Asyl ...

Fred Fröhlich, Videokünstler aus Leipzig – den Namen noch nie gehört? Auch die anderen TeilnehmerInnen der sechsten Videonale in Bonn gehören nicht gerade zu den Matadoren der internationalen Videokunstszene: Die Künstler, die hier mit großen Installationen vertreten sind, studieren fast alle noch an den neugegründeten Medienhochschulen: in Karlsruhe, Köln, Frankfurt und Saarbrücken.

Dabei sollte zum zehnjährigen Jubiläum des renommierten Videofestivals in Bonn eine Retrospektive zu mittlerweile fast dreißig Jahren Medienkunst gezeigt werden. Doch kurzfristig ist der Schau der Hauptsponsor Philips abhanden gekommen, und eine Ausstellung mit Werken von Videopionieren wie Bill Viola, Ulrike Rosenbach oder Nam June Paik wurde aus finanziellen Gründen nicht möglich. Im sogenannten Multimedia-Zeitalter scheint Videokunst, die Elektronikkonzerne bis vor kurzem gerne noch als ausgelagertes Experimentallabor benutzt haben, als Prestigeobjekt für Hardware-Hersteller uninteressant geworden zu sein. Auch Nam June Paik hat Sony als Sponsor verloren. Aus pragmatischen Gründen hat Videonale-Kuratorin Petra Unnützer statt der sattsam bekannten Stars deren SchülerInnen nach Bonn geholt. Dabei tragen die Arbeiten zum Teil deutlich den Stempel der jeweiligen Medien-Institute: Die Installation „Nichts zerbrach, nur das Herz“ von Clea T. Waite, zur Zeit Artist in Residence an der Kölner Medienhochschule, verwendet „High Speed EPI Scans“ aus der Herzchirurgie. Solche High-Tech- Kunst aber ist nur auf dem Grafikcomputer Harry möglich, den hierzulande nur die Kölner Medienhochschule besitzt, die auch sonst als technisch hervorragend ausgestattet gilt. Denn die Kölner Schule ist ein wichtiges Element der Strukturpläne der Düsseldorfer Landesregierung, um aus Nordrhein-Westfalen einen Medienstandort zu machen.

Auch die Installation „Trabanten“ von Egbert Mittelstädt, ebenfalls Student in Köln, kommt recht technikverliebt daher: In einem verdunkelten Raum strahlen zwei sich drehende Satellitenschüsseln „white noise“, gegenstandsloses Bildschirmgeflimmer ab, das den Raum in graues Licht taucht. Nur wenn sich die beiden Schüsseln aufeinander richten, entstehen kurz erkennbare Nachrichtenbilder, die sich dann schnell wieder im Geflacker verlieren.

Am eher künstlerisch als technisch ausgerichteten Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe arbeitet Thomas Zitzwitz. In seiner Arbeit „Zu einer anderen Zeit“ unterlegt er blitzartig aufzuckende Bilder von Reisevideos mit einem Soundtrack aus cut-up-artig montierten Geräusch- und Musikfetzen. So bekommt man vielleicht einen Eindruck von der Arbeitsweise an den jeweiligen Schulen, neue Positionen werden damit allerdings nicht markiert.

Obwohl große Namen fehlen, stammt doch ein Teil der Videotapes von international bekannten KünstlerInnen. So ist der amerikanische Soap-opera-Anarchist George Kuchar mit einem Kurzfilm vertreten, in dem ein Dr. Jacques Vallee beweist, wie Ufos die Geschichte der Menschheit beeinflußt haben. Künstler wie Claus Blume oder Raphael Montanez Ortiz übertragen das aus dem HipHop bekannte Scratching und Sampling in die künstlerische Sprache der Videokunst. Und in dem Film „Columbus on Trail“ inszeniert die Amerikanerin Lourdes Portillo eine satirische Gerichtsverhandlung, in der sich Christoph Columbus vor einem mexikanischen Richter und einem indianischen Staatsanwalt wegen der Entdeckung Amerikas verteidigen muß.

Seltsamerweise hat das Ganze trotz der vielen jungen Künstler einen leicht musealen Anstrich. Das wäre zu vermeiden gewesen, wenn man andere Neue Medien wie Mailboxen oder verstärkt interaktive Computerprogramme einbezogen hätte. 1997, bei der siebten Videonale, soll allerdings erst einmal die große Videokunstretrospektive nachgeholt werden. Wenn sich denn ein Sponsor findet... Tilman Baumgärtel

Die Videonale ist noch bis zum 18. September von 11 bis 23 Uhr im Bonner Kunstverein, Hochstadienring 22, zu sehen; am Samstag werden um 20 Uhr die Videonale- Preise vergeben. Der deutsch-englische Katalog kostet 28 DM. Gleichzeitig zeigt das Kunstmuseum Bonn die Arbeiten der fünf Gewinner aus den vorhergehenden Jahren.

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