Erklärungsnotstand

■ Proteste gegen Charlotte Höhn auch an der Gießener Justus-Liebig-Uni

Berlin (taz) – Nach Redaktionsschluß gab es am Dienstag doch noch eine Reaktion Charlotte Höhns auf die Bitte der taz, sich zu den Vorwürfen zu äußern – allerdings nicht von der Leiterin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung selbst, sondern von ihren Rechtsanwälten. Die teilten lapidar mit, daß sie Höhn vertreten und demnächst von sich hören ließen. Von rechtlichen Schritten, die Höhn bereits in Kairo angekündigt hatte, ist der taz nach wie vor nichts bekannt.

Bis gestern sollte sich Höhn gegenüber dem Innenministerium zu den Vorwürfen äußern. In einem in der taz auszugsweise veröffentlichten Interview hatte Höhn bedauert, daß man nicht mehr sagen dürfe, daß Afrikaner eine niedrigere Intelligenz hätten als andere. Daraufhin war von verschiedenen Seiten die Abberufung Höhns von der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo gefordert worden. Am Freitag hatte das Innenministerium reagiert und von der Wissenschaftlerin eine sofortige „dienstliche Erklärung“ verlangt, woraufhin Höhn vorzeitig aus Kairo abgereist war. Jetzt hatte die SPD gefordert, Höhn auch von der Leitung des Bundesinstituts abzuberufen. Das Institut untersteht direkt dem Innenministerium. Wie der Vorgang dort behandelt wird, ist unklar: Im Innenministerium war gestern wieder einmal für die taz niemand zu sprechen.

Unterdessen regt sich auch an der Gießener Justus-Liebig-Universität Widerstand gegen die Professorin. Höhn ist dort seit Jahren Lehrbeauftragte am Fachbereich Ernährungs- und Haushaltswissenschaften. Eigentlich sollte in einer Sitzung des Akademischen Senats am 28. September darüber befunden werden, Höhn mit dem Titel der Honorarprofessorin zu würdigen, berichtet die Gießener Allgemeine. Der AStA, aufgeschreckt durch die taz-Berichte, forderte in einem offenen Brief an die Universitätsleitung, Höhn den Lehrauftrag zu entziehen und sie insbesondere nicht zur Honorarprofessorin zu ernennen. Mit vorläufigem Erfolg: Der entsprechende Antrag wurde vom Dekan von der Tagesordnung genommen. Bernd Pickert