: Der Fisch stinkt vom Kopf her
■ Hamburger Polizeispitze deckte Verfehlungen ihrer Beamten und ließ Hackmann auflaufen
Hamburg (taz) – Hamburgs Polizeiführung unter Druck. Zwei Tage nach dem Rücktritt des Hamburger Innensenators Werner Hackmann (SPD) mehren sich in der Hansestadt die Hinweise darauf, daß hochrangige Mitarbeiter der Innenbehörde die Verfolgung von polizeilichen Übergriffen gegen Ausländer bewußt sabotiert haben. Im Mittelpunkt der Kritik: der noch amtierende Innenstaatsrat Dirk Reimers. Eine Mitarbeiterin des Hamburger Senats bestätigte gestern taz-Informationen, nach denen Reimers in der vergangenen Woche versucht haben soll, die von Hackmann verfügte Strafversetzung zweier Polizisten zu verhindern, die den Senegalesen Dialle D. verprügelt hatten. Reimers hatte am Donnerstag aus einer Presseerklärung Hackmanns die Passage, in denen die Strafversetzung angekündigt wurde, gestrichen, ohne seinen Senator davon in Kenntnis zu setzen. Hackmann, von seinem Untergebenen düpiert, ordnete die Strafversetzung am folgenden Tag erneut an und ließ sie von seinem Pressereferenten mündlich verbreiten. Auch am Montag, Hackmanns letztem Tag als Innensenator, muß es zu Auseinandersetzungen zwischen Hackmann, Reimers sowie dem Chef der Kriminalpolizei, Wolfgang Sielaff, und weiteren Führungskräften der Innenbehörde gekommen sein. In zwei Sitzungen, so ein Behördeninsider, habe Hackmann ein offensiveres Umgehen mit den Übergriffen auf Ausländer gefordert. Reaktion der Behördenspitze in beiden Fällen: Ohne uns. In der ersten der beiden Sitzungen hatte zunächst der Leiter des ebenfalls Hackmann unterstellten Hamburger Amts für Ausländerangelegenheiten beklagt, daß in seinem Amt Ausländer immer häufiger schikaniert würden. Außerdem legten die Mitarbeiter des auch für Asylangelegenheiten zuständigen Amts das Ausländergesetz zu restriktiv aus. Hackmann sicherte dem Amtsleiter seine Unterstützung für Gegenmaßnahmen zu, forderte ein offensives und öffentliches Vorgehen gegen die Mißstände. Reimers und Kollegen schüttelten den Kopf. In der zweiten Sitzung, diesmal mit der Polizeiführung, legte Reimers einen neuen Fall von Mißhandlung vor. Hackmanns Frage nach möglichen Konsequenzen, so der taz-Informant, beantworteten Reimers und Kripo-Chef Sielaff mit einem Schulterzucken. Hackmann formulierte daraufhin seine Rücktrittserklärung, um, so der Ex-Innensenator gestern in einem Zeitungsinterview, einem Nachfolger „personell einen Neuanfang zu ermöglichen, der mir so nicht möglich gewesen wäre“. Hackmann hatte prügelnde Polizisten und Spitzenbeamte jahrelang nach außen in Schutz genommen. Hackmann und Reimers waren gestern bis Redaktionsschluß für Stellungnahmen nicht zu erreichen. In der Bild-Zeitung hatte Reimers am Dienstag erklärt, Vorwürfe, er habe seinen Senator künstlich dumm gehalten, seien „falsch und ungerecht“. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Hermann Lutz, warf gestern dem Innensenator vor, dem Ansehen der Polizei erheblichen Schaden zugefügt zu haben.
Uli Exner Seiten 4 und 10
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