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Eine multikulturelle Enklave

■ Dritte Welt in Ottensen: Die „Werkstatt 3“ wird 15 Jahre alt Von Katrin Wienefeld

In Chile läuft nix mehr, sowieso ist mit Lateinamerika wenig los. Die Äthiopier haben dafür mit –nem Wahnsinnsandrang bei ihren Kulturtagen zu kämpfen gehabt, und generell sind die Afrikaner voll aktiv. Rassismus in Hamburg ist wichtigstes Diskussions-Thema und HipHop am Abend ein Novum: Die Institution, die dieses verheißungsvoll-weltumfassende, multikulti-intellektuelle Programm auf Öko-Niveau anbietet heißt Werkstatt 3. Heute feiert sie im Fabrikgebäude am Nernstweg ihr 15tes Jubiläum.

Die W3 organisiert zahllose Gruppen und Initiativen aus dem Dritte-Welt-Bereich, sie ist Informations- und Kommunikationszentrum, internationale Begegnungs- und Austauschstätte. Die Botschaft lautet Völkerverständigung, die Vision noch immer „Eine-Welt“, so schwärmt Reinhard Ohr, 1981 der Inhaber der ersten ABM-Stelle der W3. Nachfolgerin Petra König, deren Stelle durch die europäische Gemeinschaft finanziert wird, und zwei weitere Mitarbeiter organisieren mittlerweile rund 250 Veranstaltungen im Jahr. Konzerte, Film- und Kulturabende, Diskussionen, Workshops und natürlich die Samstag-Abend-Disco.

1979 zogen sieben bis zur Halskrause engagierte Gruppen in die alte Seifenfabrik der Firma Dralle und renoviertem diese mit Spenden und Eigenarbeit ohne öffentliche Zuschüsse. „Wir hatten die Vorstellung, daß Initiativen, Gruppierungen aus der Anti-AKW- und der Friedensbewegung unter einem Dach arbeiten und sich daraus eine Zusammenarbeit ergibt“, erzählt Reinhard Ohr. Doch die Realität zeigte sich anders: „Kaum hatten die alle ihr eigenes Büro, fand nur noch wenig Gemeinsames statt.“

Da gab es die heißen Zeiten, als die alte Fabrik vom Staatsschutz observiert wurde und im fünften Stock die taz hamburg ihre Redaktionsbüros hatte: „Die Konflikte der taz mit Autonomen und Polizei haben wir meist mitgekriegt, da flog denn schon mal –ne Schreibmaschine aus dem Fenster“, erzählt Reinhard Ohr amüsiert. Man genoß das Gefühl, „am Rande der Legalität zu arbeiten“. 16 Gruppen, von der Afrikanischen Union bis zum Pestizid Aktions-Netzwerk, arbeiten heute noch in dem Gebäude. Andere wie die Gepa zogen aus.

Die Arbeit der W3 ändert sich: „Infoveranstaltungen laufen nicht mehr“, sagt Petra König, „Aktionen gegen Rassismus und Gewaltbereitschaft sind gefragt.“ Im Werkstatt 3-Bildungswerk sollen Fortbildungen und Seminare zur europäischen Themen stattfinden. Ein internationaler EG-Kongreß „Migration und Rassismus“ wird für Februar geplant. Petra König versichert: „Die Samstag-Abend-Disco bleibt und die One-World-Konzerte.“

Das Geburtstagsfest beginnt heute um 22 Uhr mit der Disco-Night. Morgen ab 13 Uhr Informationsstände und Veranstaltungen im Werkhof, bis 18 Uhr zieht eine Kulturkarawane mit Musikern und Künstlern durch Ottensen, um 21 Uhr Konzert. Am Sonntag von 11 Uhr bis 19 Uhr Brunch, Musik und Kino.

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