: „Wir sind in gewisser Weise frustriert“
■ Der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka über die Stellungnahme des Senats zum Jahresbericht 1993 / Die Innenverwaltung zeigte bislang wenig Entgegenkommen
taz: Sind Sie frustriert, wenn Sie sich die Senats-Stellungnahme zu Ihrem Jahresbericht durchlesen?
Hansjürgen Garstka: Das sind wir in gewisser Weise. Gerade mit der Innenverwaltung, in deren Verantwortung die Sicherheitsbehörden fallen, gibt es große Meinungsverschiedenheiten. Es ist klar, daß der Datenschutz in diesem Bereich stets auf Widerstände stoßen wird. Ich würde mir allerdings wünschen, daß von seiten der Innenverwaltung mehr auf die Anliegen der informationellen Selbstbestimmung der Bürger eingegangen wird.
Ihnen bleibt also nichts weiter als der Appell?
Nach dem Datenschutzgesetz haben wir nur die Möglichkeit, zu mahnen, Empfehlungen zu geben. Das hat zwei Seiten: Einerseits können wir weniger als andere Stellen durchsetzen. Andererseits haben wir die Möglichkeit, unsere Kritik pointiert zu formulieren. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit: Die Vermieter sind verpflichtet, dem Mieter den bevorstehenden Verkauf einer Wohnung anzuzeigen, damit dieser von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen kann. Der Senat will nun nicht nur für diese, sondern ähnlich gelagerte Fälle den Behörden gestatten, die Betroffenen über vorbereitende Verwaltungsvorgänge zu informieren. Auch ich meine, der Mieter sollte rechtzeitig unterrichtet werden. Dann aber aufgrund einer klaren gesetzlichen Entscheidung und nicht auf dem datenschutzrechtlichen Schleichweg. Noch besser wäre es, den Mieter nur mit Einwilligung des Vermieters zu informieren – wie es ja erprobt werden soll. Die frühere Praxis einiger Bezirke, Daten ohne Wissen des Eigentümers weiterzugeben, war unzulässig. Zweitens: Es gibt ein Gesetz über die Datenverarbeitung in der Kulturverwaltung. Darin ist geregelt, welche Daten die Staatlichen Bühnen über Karteninhaber und Abonnenten speichern dürfen. In den Bestimmungen ist sogar vorgesehen, daß Behinderungen, die ja zu Ermäßigungen führen, auch erfaßt werden.
Gibt es eine Tendenz, bei der Speicherung von Daten auf Generalklauseln zurückzugreifen?
Wir wenden uns ganz energisch dagegen, die klare Vorgabe des Berliner Datenschutzgesetzes, das für Eingriffe eine konkrete Regelung vorsieht, durch Generalklauseln zu übertünchen. Da ist in der Tat ein deutlicher Rückschritt zu beobachten.
In der Kritik steht die Datenweitergabe im Sozialbereich.
Das ist ein Thema, das zunehmend wichtiger wird. Bereits im letzten Jahr wurden die gesetzlichen Grundlagen für die Abgleichung von Sozialhilfedaten geschaffen, wie es in diesem Ausmaß bis dahin nicht möglich war. Etwa indem nun Sozialhilfe- und Arbeitslosendaten gerastert werden können. Wir sind nicht generell gegen Kontrollen, haben aber Vorbehalte gegen eine flächendeckende Überprüfung. Man kann nicht jedem Antragsteller von Sozialhilfe unterstellen, ein Betrüger zu sein. Leider geht die Tendenz der Gesetzgebung in diese Richtung. Es wird in den nächsten Monaten eine umfassende Automatisierung in der Sozialverwaltung geben. Um eine vollständige Kontrolle der Sozialhilfeempfänger zu verhindern, müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Interview: Severin Weiland
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