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Angeklagter belastet Polizei

■ Türkische Demo-Konfrontation am Sielwall vor Gericht

„Die Polizei hat sich ungesetzlich verhalten.“ Das gab der kurdische Angeklagte Mehmet B. (Name geändert) gestern vor dem Schöffengericht in Bremen zu Protokoll. Am 16. Mai 1992 war B. an der Sielwallkreuzung festgenommen worden. Er gehörte damals zu den Gegendemonstranten eines vom türkischen Honorarkonsul Karl Grabbe angeführten türkisch-nationalistischen Protestzuges „gegen Terror und Drogen“. Auf „schweren Landfriedensbruch, Widerstand, Beleidigung und Verletzung von Beamten lautet die Anklage – Vorwürfe, die B. gestern gleich am Anfang der Verhandlung zurückwies: „Das ist alles nicht wahr. Im Gegenteil lebe ich seit meiner Verhaftung im ständigen Streß wegen des Verfahrens und habe Angst vor der Polizei.“

Als der nationalistische Demonstrationszug mit der Gegendemonstration an der Sielwallkreuzung aufeinandertraf, war es zu einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen den Demonstranten beider Seiten und der Polizei gekommen.

Diese Ergeignisse des 16. Mai 1992 könnten auch für die beiteiligten Polizisten noch einen Nachspiel bekommen. B. gab gestern vor Gericht zu Protokoll, er habe wegrennen wollen, als er mitten im Getümmel über ein Fahrrad stolperte: „Zwei Polizisten haben sich dann auf mich gekniet, ein Dritter hat mit seinem Schlagstock zugeschlagen“. Schreiend sei er zu einem Mannschaftswagen geschleppt worden. B.: „Drinnen hat dann ein Beamter seinen Revolver gezogen, auf mich gezielt und gesagt, ich soll ruhig sein.“

Zwei der an B's Festnahme beteiligten Beamten gehören einer Hamburger Polizeieinheit an. Einer von ihnen gab gestern vor Gericht zu, daß es sich um einen „offenen Schlagabtausch“ zwischen Demonstranten und Polizisten gehandelt habe. Er bestritt jedoch, den Angeklagten B. persönlich geschlagen zu haben, vielmehr habe dieser auf die Polizei eingeprügelt. Staatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach, der die Anklage gegen B. vertritt, will nach Abschluß des Prozesses prüfen, ob er auch ein Verfahren gegen die von B. belasteten Beamten eröffnet.

Bis dahin wird es allerdings noch dauern. Denn nachdem gestern den ganzen Tag verhandelt wurde, sind für nächsten Freitag weitere Zeugen geladen. Das Gericht will vor einem Urteil auch Videoaufnahmen der Polizei und von Radio Bremen sowie zahlreiche Fotos sichten. lagro

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