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Krach um PDS-Plakat

■ Springer-Presse wittert Gysi-RAF-Allianz

Berlin (taz) – Unglaublich! Die PDS will Terroristen freilassen. So textete am Donnerstag die Bild- Zeitung auf ihrer Titelseite – gestern drehten Springers Erben die Story weiter: „RAF und PDS: Bonner Innenministerium schlägt Alarm!“ Vorgestern mußte wenigstens noch ein Wahlplakat der Hamburger PDS/Linke Liste als Steilvorlage für die law-and-order- Strategen der Union herhalten. Die Freilassung von 18 RAF-Gefangenen hatte der Hamburger PDS-Verband gefordert und dazu „Keine Todesstrafe auf Raten! Kein lebenslänglich! Sie müssen raus!“ auf angeblich 1.600 verklebte Plakate geschrieben. Für den CDU/CSU-Fraktionsvize Johanes Gerster war das Grund genug, erneut die bundesweite Überwachung der PDS durch den Verfassungsschutz zu fordern. Für Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) gab die Meldung im gleichen Artikel Anlaß zum Orakeln: „Die undifferenzierte Parteinahme der PDS für RAF- Mörder zeigt, welche unheilige Allianz da droht.“ Offenbar vergessen und verdrängt, daß sich der eigene Koalitionspartner, die FDP, mit der Rückendeckung des Kanzlers schon Anfang 1992 für eine vorzeitige Haftentlassung von RAF-Gefangenen stark gemacht hatte. Daß sich der Bundesvorstand der PDS vom „Alleingang“ der Hamburger Parteifreunde distanzierte und das Plakat als „politisch instinktlos“ bezeichnete, Bild-Leser erfahren davon nichts.

Gestern nun legte das Springerblatt mit der Quellenangabe „Bonner Innenministerium“ nach: Nicht nur mit krawallbereiten Autonomen, auch mit ehemaligen RAF- Mitgliedern arbeite Gysis Truppe zusammen. Das PDS-Bundestagsbüro finanziere Antifa-Broschüren mit offenen Gewaltaufrufen. Und, offensichtlich besonders verwerlich, in der „Ex-SED-Parteizeitung“ ND durfte das frühere RAF- Mitglied Inge Viett in einem Interview zu Wort kommen. Die inkriminierte Passage: „Die PDS ist eine linke Kraft, an der sich linke Politik sammeln, entfalten und neu strukturieren kann.“ Den Wahrheitsgehalt der Viettschen Aussage dahingestellt, das Strickmuster in Bild ist aus der Frühzeit der grünen Partei bestens bekannt. Auch damals warnten vorwiegend Unionspolitiker vor dem Einfluß linksextremer Kräfte auf und unter den Alternativen. Bonner Staatssekretäre ließen Anfang der achtziger Jahre deshalb Dossiers über die Vergangenheit grüner Politiker anfertigen, in Berlin wurde der Grünen-Ableger Alternative Liste flächendeckend vom Verfassungsschutz überwacht. Damals wie heute führte die Union statt einer politischen Auseinandersetzung nur den Staatsschutz auf. Damals wie heute war ihr dabei Bild zu Diensten. Wolfgang Gast

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