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Driftender Bildungspop

Grau ist der Alltag, finster die Realität. Natürlich. Doch in England schimmern Glanz und Glamour, lassen groß aufgeblasene Pop-Songs Sonne und Hoffnung in die Herzen der Rock'n'Roll-Kiddies scheinen. Viel Ruhm ernteten 1993 Suede, in ihrem Windschatten rockten nicht weniger großartig die Auteurs mit ihrem Debütalbum „New Wave“. Dieser Titel kokettierte mit zwei Dekaden Kulturgeschichte: der cineastischen Nouvelle vague der Sechziger einerseits, den neonbeleuchteten Frühachtzigern andererseits; damals, als Bands wie Soft Cell, Human League oder Heaven 17 Soundtracks für blau- grün-gelbe Curaçao-Parties komponierten und aus Technik und Soul mal coolen, mal schwülstigen Pop synthetisierten. Das alles sind für ein gebildetes Mittelstandskind wie Luke Haines, Sänger und Poet der Auteurs, nicht mehr als schlau-ironische Reminiszenzen, reine Selbstverständlichkeiten. Die Historizität des Zitats wird von ihm nur selten bemüht, und wenn, dann verklausuliert. Es reicht, mit Marc Bolan und Truman Capote zu flirten, auf der Welle amerikanischer Gitarrenrenaissance und Rock-Lethargie zu surfen und sich darüber hinaus an Cellos und hellen Glöckchen zu delektieren.

Haines' Zuhause ist die Schnittstelle von Fiktion und Wirklichkeit, er ist der Drifter zwischen stilisierten Bohème-Vergangenheiten und imaginierten Gegenwarten in der upper class, wenn er fragt: „Who's right, who's not, who's gonna get it now that I'm a rich man's toy (with powder and make-up!).“ Dann aber fleht er auch, thief of style, der er ist, inbrünstig: „style – meticulous and gaunt, style – articulate!, style – preoccupation.“

Auteurs-Songs sind kleine Köstlichkeiten, die Überdruß und Überfluß auf die Spitze treiben. Was bedeuten Pomp und Posing auch sonst? Nicht immer muß Gesellschaftskritik der Schlüssel zu Popmusik sein, manchmal reicht eine ramponierte und trotzdem glitzernde Oberfläche, hinter der sich einzig und allein Kontemplation und innere Einkehr verbergen; und da kann, allen Unkenrufen zum Trotz, aus Scheiße und Scheinheiligkeit auch ein wenig Kunst gefiltert werden.

„Now I'm A Cowboy“ heißt das in diesem Jahr erschienene zweite Album der Auteurs, und dieser Cowboy trägt ein gestärktes Hemd und auch ein goldenes Jäckchen, bloß das Veilchen ziert sein Auge, mithin die falsche Körperstelle. Um Weisheiten wie diese loszuwerden, muß man nicht unbedingt ein Rock'n'Roll-High- School-Äffchen mit sexy Pistolen oder ein kleinbürgerlicher Blurscher Nationalist sein: „Toulouse- Lautrec called up today, said it's all Rock'n'Roll anyway.“ Gerrit Bartels

The Auteurs spielen: 20.9. in Hamburg, Loft; 21.9. Berlin, Loft; 22.9. München, Strom; 23.9. Köln, Luxor.

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