: Aufschwung mit Staatsschulden
■ Monatsbericht der Bundesbank sagt weitere Erholung der Konjunktur voraus / Arbeitslose und Haushaltslöcher bleiben
Frankfurt (AP) – Die Krise war gesund, meint die Deutsche Bundesbank. Die Entlassungswellen des letzten Jahres, die niedrigen Tarifabschlüsse und die Strukturreformen in Produktion und Management haben ihrer Meinung nach dazu beigetragen, daß „deutsche Positionen auf wichtigen Märkten zurückerobert werden konnten“. In ihrem gestern veröffentlichten Monatsbericht kommt die Notenbank sogar zum Schluß, Deutschland sei „zu einem wichtigen Wachstumsmotor in Europa geworden“.
Kanzlerfreund Hans Tietmeyer ließ kurz vor der Bundestagswahl ein freundliches Bild zeichnen, seine angestammte Rolle des wirtschaftspolitischen Miesmachers wollte der Bundesbankchef diesmal der Opposition überlassen. Die Stimmung der Wirtschaft habe sich immer weiter aufgehellt, heißt es in dem Bericht, die Kapazitätsauslastung der Betriebe nähere sich ihrem langfristigen Durchschnitt. Auch auf dem Arbeitsmarkt macht die Bundesbank „positive Signale“ aus. In Westdeutschland sei der Beschäftigungsabbau zum Stillstand gekommen, gleichzeitig habe die Erwerbslosigkeit leicht abgenommen. Zwar sei in absehbarer Zeit nicht mit einer „durchgreifenden Entspannung“ zu rechnen, nur „sollten Stabilisierungstendenzen nicht unterschätzt werden“.
Neue Jobs entstehen zuerst im Osten
Hoffnung macht die Bundesbank vor allem den Ostdeutschen. In der ehemaligen DDR ließen sich inzwischen schon Elemente eines „selbsttragenden Aufschwungs“ erkennen. Vor allem schlage sich das kräftige Wachstum von neun Prozent im ersten Halbjahr hier „deutlicher als zuvor“ auf dem Arbeitsmarkt nieder. Selbst Störungen wie der Anstieg der langfristigen Zinsen, der schwache private Konsum und Wechselkursunsicherheiten hätten die wirtschaftliche Dynamik nicht dämpfen können. Allein das Bruttoinlandsprodukt wuchs im ersten Halbjahr um nahezu drei Prozent.
Die Gründe fanden die obersten Volkswirte im Lehrbuch: Der Aufschwung begann nach „klassischem Muster“ mit steigenden Exporten. Die Nachfrage hat dann im Laufe des zweiten Quartals auch den Inlandsmarkt erreicht, der Bericht notiert wachsende Bestellungen von Investitionsgütern, Aufträge kamen vor allem vom Maschinenbau und der Bauindustrie.
Sorgen machen den Währungshütern nur die Staatsschulden. Bundesbankgewinn und höhere Steuereinnahmen dürften die Defizite 1994 zwar um 15 Milliarden senken. Mit den Schulden der Treuhand entsteht jedoch eine Deckungslücke von 155 Milliarden Mark – „eine Größenordnung, die nicht vertretbar ist“. 1995 werde aber „die Haushaltskonsolidierung deutlich vorankommen“. Das Defizit der öffentlichen Hand werde auf annähernd 100 Milliarden Mark zurückgehen, das Staatsdefizit drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts „spürbar unterschreiten“: Damit wären die Maastrichter Kriterien für die Europäische Währungsunion erfüllt.
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