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Bildungspolitische Notstandsgetze

■ SchülerInnen protestieren gegen Stundenausfall, LehrerInnen-Mangel und Versetzungen

„Wedemeier und Scherf sollen rauskommen und sich der Verantwortung stellen!“. Rund 250 SchülerInnen verschiedener Bremer Schulen standen gestern vor der Bürgerschaft und waren sauer. Sie befürchten, daß vom kostbaren Gut Unterricht noch mehr abgeknapst wird und ihre LehrerInnen versetzt werden.

„Es gibt kaum eine Schule mit einem gültigen Stundenplan zum Schuljahresbeginn“, weiß Marianne Isenberg, Sprecherin des Zentralelternbeirates. Die SchülerInnen können nicht ausreichend unterrichtet werden, wichtige Stunden fallen aus. In der Grundschule Pastorenweg fehlten vor zwei Wochen 88 LehrerInnenstunden, in der Sekundarstufe I des Schulzentrums Obervieland immerhin auch noch 73 Stunden pro Woche. Das sind jeweils knapp vier Stellen. Und in diesem Schuljahr seien noch rund 700 SchülerInnen in den Grundschulen dazugekommen.

Aber das Land Bremen ist pleite und es muß gespart werden. Das Problem ist Bildungssenator Henning Scherf und der Bildungsbehörde zwar seit einem jahr bekannt, gehandelt haben sie erst zum Schuljahresbeginn. Allein 43 LehrerInnen aus den Berufsschulen und 22 LehrerInnen der Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe) sollen in die Sekundarstufe I verschoben werden. Dafür können dann 22 LehrerInnen der SEK I ihren Unterricht in Zukunft für die Grundschule vorbereiten. Thea Kasmierski, Frauenbeauftrage Schulen, hat zudem ausgerechnet, daß in über 70 Prozent aller Fälle Frauen versetzt werden (siehe Leserbrief S. 22).

„Das ist das Ende von Bildung in Bremen“, befürchtet Marianne Isenberg. Die Bildungsbehörde hat zwar nach dem Verteilerschlüssel für Lehrerstunden und Schülerzahlen errechnet, was wo zu viel oder zu wenig vorhhanden ist, an der Realität des Schulalltages gehen diese Berechnungen jedoch vorbei. Die Behörde zählt nur Schülerköpfe, keine Klassen. Damit die Mindestzahl von 25 SchülerInnen pro Klasse erreicht wird, werden bei schrumpfenden Schülermengen immer größere Klassen zusammengelegt. Nur damit ja keine Lehrer abgezogen werden. Dennoch: Schon jetzt werden Fächer wie Physik oder Musik an manchen Schulen überhaupt nicht mehr unterrichtet. Deutsch oder Mathe werden nur mit verminderter Stundenzahl erteilt.

An den Berufschulen fehlen schon jetzt massiv qualifizierte Unterrichtsstunden. Die Auszubildenden jeder Branche sollten dort möglichst lernen, was für ihren Beruf sinnvoll ist. Manchen Beruf wollen aber nicht genug Jugendliche lernen, die Klassen an den Schulen schrumpfen. So füllen die acht Auszubildenden des Buchhandels im Schulzentrum II in Horn nicht das Plansoll von 22 SchülerInnen einer Klasse auf. Noch lernen sie die Grundzüge der Literaturgeschichte. Wenn jedoch LehrerInnen abgezogen werden, werden sie mit Lebensmittelverkäufern zusammengelegt und fortan alles über Obst und Gemüse lernen.

Schulungen für die zu versetzenden LehrerInnen hatte Scherf nicht vorgesehen. Nachdem die Schüler und Schülerinnen gestern über eine Stunde auf dem Marktplatz auf Henning Scherf gewartet hatten, kommt er dann doch noch. „Ich wollte mich nicht drücken“, sagt er, die Bürgerschaft habe getagt. „In meiner eigenen Behörde ist das falsch gelaufen mit den Versetzungen“, gibt er zu. Doch schließlich müsse er mit den Lehrern dahin gehen wo die Schüler sind, es müssen also Versetzungen vorgenommen werden. 1,5 Milliarden Mark gebe Bremen jedes Jahr für die Bildung aus, mehr sei nicht drin. Die hartnäckigen SchülerInnen können ihm Schluß wenigstens ein Versprechen abnehmen: Die Lehrer werden nachgeschult. fok

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