: „Noch nicht wieder goldig, aber immer besser“
■ Parlamentswahlen in Dänemark: Sozialdemokraten liegen weiterhin vorne
Kopenhagen (taz) – Heute wird in Dänemark ein neues Parlament gewählt. Alle Prognosen der MeinungsforscherInnen deuten darauf hin, daß auch die nächste Regierung sozialdemokratisch geführt sein wird. Die Taktik von Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen scheint aufzugehen. Er hatte vor drei Wochen die eigentlich erst für Dezember anstehenden Neuwahlen auf den 21. September vorziehen lassen – eben weil die Meinungsumfragen für die aus vier Parteien bestehende Mitte-Links- Koalition gerade recht günstig aussahen.
Zusätzlich bestätigt wird die Regierung durch günstige Wirtschaftsprognosen: Erstmals seit 1987 wird derzeit eine Trendwende bei den ständig steigenden Arbeitslosenzahlen vorhergesagt. Von derzeit zwölf Prozent soll die Arbeitslosenrate im nächsten Jahr auf zehn Prozent sinken – was die Regierung freilich als Erfolg ihrer aktiven Arbeitsmarktpolitik wertet.
Die bürgerliche Opposition hingegen glänzt in der Öffentlichkeit durch andauernden Streit. Die Konservativen haben sich von dem Sturz ihres Ministerpräsidenten Poul Schlüter im Januar 1993 über die Tamilen-Affäre nicht erholt. Mit ungesetzlichen Mitteln war seinerzeit Flüchtlingen der Familiennachzug verwehrt worden – Schlüter mußte gehen.
Ihre einst führende Position im rechten Lager hat die Partei an die rechtsliberale Venstre des Ex-Außenministers Uffe Ellemann- Jensen verloren, dessen Sympathiekurve derzeit aber ebenfalls nach unten zeigt. Nachdem es noch im Sommer nach einem Machtwechsel durch die Konservativen und die rechtsliberale Venstre ausgesehen hatte, scheinen diese beiden Oppositionsparteien ihre Chancen auf eine Regierungsübernahme mittlerweile gründlich verspielt zu haben.
Als Mehrheitslieferanten hatten sie, wenn auch in unterschiedlicher Deutlichkeit, auf die rechtsaußen stehende fremdenfeindliche Fortschrittspartei gesetzt, die ihrerseits aber ihre Forderungen für den Einstieg in ein mögliches Koalitionsbett prompt so hoch hängte, daß Konservative und Venstre ein Zusammengehen mit der rechtspopulistischen Partei in letzter Minute ausschlossen. Mehr noch: Die Endphase des Wahlkampfes war davon bestimmt, die Fortschrittspartei nun wieder gründlich zu bekämpfen. Doch offensichtlich vergeblich und zu spät, um den Popularitätseinbruch bei ihrer irritierten Stammwählerschaft noch stoppen zu können, und allemal zu spät, eine der kleinen Mitteparteien zu einer potentiellen Regierungsalternative zu gewinnen. Diese hatten sich ob des Flirts der großen bürgerlichen Parteien mit den Rechtspopulisten noch eindeutiger auf eine Zusammenarbeit mit Nyrup Rasmussens SozialdemokratInnen eingeschworen.
Dabei spielen Sachfragen so gut wie keine Rolle, was zählt, ist die Mandatsarithmetik, die Frage, wer mit wem eine Mehrheit zusammenbekommt. Geht es ans Eingemachte, an die Zukunft des Wohlfahrtsstaats, angesichts leerer Kassen, der Krise des Gesundheitswesens und der Altersvorsorge wurden die WählerInnen mit Allgemeinplätzen abgespeist. Selbst das dänische Dauerthema, das Verhältnis des Landes zur Europäischen Union, tauchte im Wahlkampf nur am Rande auf.
Der Ministerpräsident kann mit seiner permanent wiederholten Dauerbotschaft „Es geht uns zwar noch nicht wieder goldig, aber immer besser“ laut Meinungsumfragen auf gut ein Drittel der Wählerschaft für seine sozialdemokratische Partei hoffen. Weitere 20 Prozent werden für seine drei Regierungspartner und die Sozialistische Volkspartei erwartet. Letztere wird allein mit über zehn Prozent gehandelt, auf die Nyrup Rasmussen sich entweder als Regierungspartner oder als außerhalb der Regierung verbleibende Unterstützerpartei verlassen kann. Deutlich auf unentschiedene WählerInnen zielt der Wahltermin nur drei Tage nach den Parlamentswahlen im Nachbarland Schweden: Hier wurde den SozialdemokratInnen ein deutlicher Wahlsieg vorhergesagt. Die dänischen GenossInnen hoffen offenbar auf einen Nachahmungseffekt.
Das weitere Schicksal der Regierung Nyrup Rasmussens wird nicht so sehr vom Abschneiden seiner eigenen Sozialdemokraten entschieden wie von den Ergebnissen der beiden kleinen Mitteparteien, die mit am Kabinettstisch saßen und dies gerne auch weiterhin tun würden. Beiden aber, sowohl der Christlichen Volkspartei als auch den Zentrumsdemokraten, wird eine Zitterpartie vorhergesagt, was das Überspringen der Zweiprozenthürde angeht. Das allerdings war schon immer so, und ob es die Regierungsbildung beeinflußt, ist fraglich.
Denn angesichts der geschwächten Rechtsparteien scheint selbst ohne diese bisherigen Regierungsstützen das Überleben Nyrup Rasmussens als Ministerpräsident in einer sozialdemokratisch geführten Minderheitsregierung als sicherster Tip für den Wahlausgang. Reinhard Wolff
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