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Mordende Soldaten empören die CDU

■ Heftige Kritik am Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum Aufkleber „Soldaten sind Mörder“

Bonn (dpa/taz) – Geht es nach dem CDU-Bundestagsabgeordneten Heinrich Lummer, wird das Bundesverfassungsgericht demnächst wieder ein Urteil zur Meinungsfreiheit fällen müssen. Weil die Karlsruher Richter den Spruch „Soldaten sind Mörder“ durch Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt sehen, will der CDU- Rechtsaußen nun von ihnen wissen, ob dieser Schutz auch für seine Äußerung „Verfassungsrichter sind Mörder“ gilt. Denn, so Lummers Begründung für seine provokante These, Richter, die das Gut der Meinungsfreiheit „so weit dehnen, daß die Ehre, der Ruf und der gute Name eines Menschen dabei zerstört werden, treiben jene Menschen in den Tod, für die Ehre und der gute Ruf etwas bedeuten“. Weil Verfassungsrichter Rufmörder seien, seien sie potentielle Mörder.

Hätte Lummer in den am Montag veröffentlichten Beschluß geschaut, mit dem die Dritte Kammer des Ersten Senats die Verurteilung eines Kriegsdienstgegners wegen Volksverhetzung aufgehoben hatte, so hätte er sich seine Anfrage sparen können. Denn er hätte gelesen, daß Werturteile durchweg von Artikel 5 Abs. 1 GG geschützt sind, egal ob die Äußerung „wertvoll“ oder „wertlos“ ist.

Die gleiche Empörung wie Lummer, und wohl die gleiche Unkenntnis des Urteilstextes, zeigten gestern eine Reihe seiner Parteifreunde. Der Bundestag hatte auf Antrag der Koalitionsparteien und der SPD eigens eine Debatte über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anberaumt. Bereits vor Beginn dieser Aussprache erklärte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), sie könne die Entscheidung nicht nachvollziehen. „Wenn wir diese generalisierende Aussage so stehenlassen, könnte man am Ende über andere Gruppen unserer Gesellschaft ähnlich diffamierende Aussagen machen.“ Nach diesem Urteil sei sicher auch das Parlament gefordert, sich schützend vor die Bundeswehr zu stellen. Zum Bundeswehrschutz fühlte sich auch die Bundesregierung aufgerufen. Sie beschloß eine „Würdigung des Friedensdienstes der Bundeswehr“, denn der Beruf des Soldaten verlange auch die Bereitschaft zum Einsatz des eigenen Lebens. Der CSU-Vorsitzende Theo Waigel sagte, das Urteil werde die Soldaten „demotivieren und insgesamt eine Negativwirkung auf die Bundeswehr haben“.

Der SPD-Politiker Wilfried Penner meinte, mit dem Urteil werde die Bundeswehr „aus dem demokratischen Staatsverband ausgegliedert und in die Gruppe von Schwerstverbrechern eingereiht“. Wieder einmal habe das Bundesverfassungsgericht die Meinungsfreiheit höher bewertet als die Würde des Menschen. Der Verfassungsrichter Dieter Grimm verteidigte den von ihm mitverfaßten Beschluß. Das Gericht habe keineswegs jemanden der Bestrafung entzogen, der gesagt habe, Bundeswehrsoldaten seien Mörder. Es sei vielmehr um die Frage gegangen, ob der Aufkleber mit dem Zitat von Kurt Tucholsky diesen Inhalt überhaupt habe. Die Aufregung über das Urteil würde sich schnell legen, wenn man die Entscheidungsgründe läse. dr Seiten 3 und 10

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