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Eisen als Metapher und Herausforderung

■ Kampnagel: „Aus der Eisenzeit“, eine Ausstellung reflektiert Stoff und Zeichen

Neulich in der Eisenzeit: Da war Geschichte noch eine Verdichtung auf Materialität, Gefühl drängte zu Pathos, und Arbeit war schwer, schwitzig und lebensgefährlich. Todessehnsucht, Kulturpessimismus und Chauvinismus verbanden sich zu der fürchterlichsten Menschheitskatastrophe. Nachbeben der damaligen kontinentalen Hammerschläge erschüttern noch immer den Asphalt (leider weniger das Gewissen). Doch irgendetwas muß auch an dieser Zeit erfreulich gewesen sein. Vielleicht die Kunst?

Nun lautet der Familienname des Kampnagel-Eröffnungsprogrammes „Maschinen-Stürme“, und da kommt es sicherlich nicht ganz ungelegen, daß zwei Hamburger Kunstenthusiasten sich unentgeltlich dazu ausbeuten lassen, eine Kunstausstellung zu dem Thema beizusteuern. Gunnar Gerlach und Michael Batz, die Organisatoren der Ausstellung Aus der Eisenzeit in der K3 (Eröffnung morgen, 18 Uhr), sehen es allerdings nicht als ihre Aufgabe, Kunst aus der Zeit zwischen erster industrieller Revolution und der Konsequenz der Stahl-Verherrlichung im Weltkrieg zu referieren. Vielmehr suchen sie Ansatzpunkte für eine Reflexion der industriellen Geschichte inklusive ihrer Ausläufer in die Gegenwart, die sie unter dem Stichwort „Transmoderne“ subsumieren. Gemeint ist damit ein Prozeß historischer Bewußtwerdung, der die Transformationen von Geschichte in den zeitgenössischen Diskursen künstlerisch interpretiert.

Unter drei Komplexen werden die Arbeiten der Künstler aus Asien und Europa sortiert: „Material-Geschichte“, „Stoffwechsel“ und „Erinnerungs- und Todesrituale“. Künstler wie Harald Finke, Sergey Anufriev, KP Brehmer, Jochen Hiltmann, Adam Jankowski, Wu Shan Zhuan oder die Schriftstellerin Yoko Tawada beziehen sich in ihren vielfach extra für diese Ausstellung entworfenen Arbeiten auf die Geschichte des Ortes ebenso wie auf die Verarbeitung der „Eisenzeit“ in den Werken der Kunstgeschichte. Kontrastierender Leitfaden beim Gang durch die Ausstellung bilden Original-Dokumente aus der metallverarbeitenden Fabrik Nagel & Kaemp, später Kampnagel, die Michael Batz ursprünglich für ein Kampnagel-Theater-Projekt gesammelt hatte, das nun in einer ihm fremd gewordenen Art und Weise als Musik-Theater-Stück ebenfalls zur Kampnagel-Eröffnung gezeigt wird (Bleckend Weiß, Premiere heute, 20 Uhr, K2).

Ansonsten beginnt die neue Spielzeit auf Kampnagel heute mit Brace Up, dem Gastspiel der New Yorker Wooster Group, sowie einer Trash-Rock-Show der Divas. Ein Eröffnungsfest mit diversen Bands ab 21.30 Uhr ist auch dabei.

Till Briegleb

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