: Wider Honeckers linke Erben
■ Zu einer Diskussion über die Identität der PDS oder: Wolfgang Templin und das Leben im grünen „Tollhaus“ / Ein Thesenpapier der Bürgergemeinschaft politischer Häftlinge
Man kann nur hoffen, daß Wolfgang Templin keinen weiteren Schaden davonträgt. Gestern sagte der grüne Politiker, daß sich in seiner Partei „Szenen wie in einem politischen Tollhaus“ abspielen, „wobei man nicht weiß, ob man in der geschlossenen oder der offenen Abteilung sitzt“. Es sei ein „Skandal“, fuhr Templin fort, daß ein Teil seiner Parteikollegen im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl mit einer Zusammenarbeit mit der PDS liebäugele. Wolfgang Templin war einer der fünf Vertreter der „Berliner Bürgergemeinschaft politischer Häftlinge und Widerständler gegen Nazis und Kommunisten“, die vor der Presse über die Identität der PDS sprachen. Ihr Fazit lautet: Honeckers linke Erben halten nicht, was sie 1989 „vollmundig“ versprochen haben.
In einem eigens hierzu entworfenen Thesenpapier heißt es: Die „Verbrechen an deutschen Kommunisten in der Sowjetunion nach 1933 wurden von der PDS nicht aufgeklärt“. Zudem habe die Partei keine Verantwortung für die von der SED verfolgten Sozialdemokraten getragen und Schuldige nicht ermittelt. Und den Opfern des Stalinismus sei noch immer kein Mahnmal errichtet worden. Im Gegenteil: Die PDS halte an „stalinistischen Relikten“ fest. „Sie tragen ihr Schweigen wie eine Monstranz vor sich her“, sagte der Schriftsteller und Reporter der Welt am Sonntag, Ulrich Schacht. „Die PDS ist eine Fortsetzung der SED, mit alten Kadern und neuen Wörtern.“ Ähnlich wie Templin kritisierte auch Hermann Kreuzer vom Kurt-Schumacher-Kreis die Stellung der großen Parteien zur PDS. Die SPD habe es versäumt, die SED-Nachfolger mit wichtigen Fragen in die Ecke zu bugsieren. Kreuzer äußerte den Verdacht, daß die PDS im Frühjahr 1990 sogenannte „PPA-Akten“ (Akten der Personalpolitischen Abteilung) vernichtet habe.
Feilich läßt sich nun fragen, warum Leute wie Templin ihr „Tollhaus“ nicht verlassen. Oder warum sich die Bürgergemeinschaft bei der Auseinandersetzung mit der Identität der PDS so spartanisch mit deren Wahlkampfprogramm befaßt und kein Wort verliert über Gregor Gysi, das eloquente Zugpferd der Partei. Zum Schluß der Diskussion stellte der Berliner Psychologe Hans-Eberhard Zahn ermüdend fest, daß es sich im Fall der PDS um eine „Metamorphose“ handelt. Tomas Niederberghaus
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