: Unerwünschte Informanten
■ Tibet: Tourismus gefährdet Staatssicherheit
Ein gerade erschienener Arbeitsbericht der tibetischen Regierung in Lhasa wirft ein interessantes Licht auf die Tourismuspolitik in dem besetzten Land. Der Wirtschaftsboom setzte in den achtziger Jahren ein, als die Zahl der Besucherinnen und Besucher von 300 (1980) auf 43.000 (1986) kletterte. Bis 1990 versprach sich Peking sogar 100.000 Gäste, die 1,2 Milliarden Yuan an Devisen bringen sollten. Die großen Pläne erfüllten sich indes nicht. Als die Menschen in Lhasa 1987 zum ersten Mal seit dreißig Jahren wieder gegen die chinesische Besetzung protestierten, verhinderten die zahlreichen Touristen und Touristinnen ein großes Massaker. Danach erschwerte Peking den Zugang so weit, daß die Touristenankünfte 1989 auf 3.600 zurückgingen. Nach einigen relativ ruhigen Jahren ist das Land wieder geöffnet, und die Tourismusbranche verzeichnet einen neuen Boom. Für dieses Jahr hofft die Tourismusindustrie auf 30.000 Übernachtungen. Sorgen bereiten ihr dabei jedoch die einheimischen Touristenführer, wie aus dem Regierungsbericht zu entnehmen ist: „Es ist wichtig, die Tourismus-Administration dahingehend zu stärken, daß sie ihren Beitrag zur sozialen Stabilität des Landes leistet. Vor allem muß sie den Aktivitäten einiger Fremdenführer ein Ende setzen, die den Kontakt mit ausländischen Touristen benutzen, um der Staatssicherheit Schaden zuzufügen“.
Damit spielt die Regierung auf den Fall Gendun Rinchen an. Den Besuch einer Delegation des Europäischen Parlaments im Mai 1993 wollte Gendun Rinchen nutzen, um Dokumente über Menschenrechtsverletzungen zu übergeben. Er wurde verraten und verhaftet, doch aufgrund weltweiter Proteste mußte er im Januar 1994 freigelassen werden. Für die staatstreue Tourismusindustrie bedeutete der Vorfall einen Prestigeverlust.
Über die Sorge um die Staatssicherheit hinaus bekennt sich der Regierungsbericht dazu, den Tourismus noch stärker zu fördern. Die meisten Angebote richten sich jedoch nach wie vor an die leichter zu kontrollierenden Gruppen. Klemens Ludwig
Adresse für weitere Informationen: Tibet Initiative Deutschland e.V., Hauptstr. 25, 47906 Kempen
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