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Otto: So funktioniert die Ökosteuer

■ Ein rot-grüner Entwurf, der danach schreit, verwirklicht zu werden

Vor gut zehn Jahren spalteten sich an ihr noch die Grünen, heute gehört sie zu den Essentials grüner Politik: die Ökosteuer. Während ein großer Teil der Partei vor noch nicht allzulanger Zeit Kapitalismus grundsätzlich für unvereinbar mit einer ökologisch wirtschaftenden Gesellschaft hielt, redet heute alles von der Versöhnung der Ökologie mit der Ökonomie. Die von der „Protest- zur Konzeptpartei“ (Ludger Volmer) gewandelten Grünen haben das ökologische Wirtschaften zur ersten Priorität ihres Reformkatalogs erklärt. Dabei, so das Programm, kommt der „Neueinführung von Ökosteuern eine entscheidende Bedeutung zu“. „Ökologisch richtiges Verhalten“, so wird gefordert, „muß belohnt, falsches belastet werden“.

Letztlich geht es um nichts weniger als die Natur beziehungsweise genauer: den Naturverbrauch zu einer ökonomischen Kategorie zu machen, also in Geld auszudrücken. Wie das vorstellbar ist, welche Modelle bereits existieren, um diesem Ziel näher zu kommen, und welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, hat der frühere Grünen-Promi Otto Schily in einem jetzt vorgelegten Grundsatzwerk über „Flora, Fauna und Finanzen“ auseinandergenommen. Ein Grundsatzwerk ist es deshalb, weil Schily sich nicht damit begnügt, die Diskussion um die Einführung einer Ökosteuer im engeren Sinn zu referieren und anzureichern, sondern erst einmal ganz weit ausholt und vor die „Wechselbeziehung von Natur und Geld“ eine längere Betrachtung über die Natur des Geldes im allgemeinen setzt.

Schily gibt eine klare Beschreibung der Problemlage für jeden, der sich anschickt, Natur zum Marktfaktor machen zu wollen. Zum einen muß Umweltverbrauch innerhalb des Marktes oder als Rahmenbedingung monetarisiert werden, also nur noch zu einem bestimmten Preis zu haben sein. Andererseits kann der Preis sich nicht nach den Mechanismen von Angebot und Nachfrage ergeben, da es ja gerade nicht darum geht, Nachfrage zu stimulieren, sondern zu senken.

Schily diskutiert ausführlich die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten, wie der Staat, als alleiniger Anbieter der „Ware Natur“, diese in den Wirtschaftskreislauf einbringen kann. Entweder er legt eine Höchstmenge von Schadstoffen fest, die insgesamt emittiert werden dürfen, und führt Zertifikate ein, die zu einer bestimmten Menge Schadstoffabgabe berechtigen.

Oder er erhebt Steuern beziehungsweise Abgaben auf alle Produkte, die die Umwelt schädigen. Das Zertifikatmodell hat den Vorteil, daß es theoretisch leicht auch länderübergreifend, bis hin zu globalen Regelungen benutzt werden kann, auf der anderen Seite aber nur bei einer relativ einfach zu kontrollierenden Schadstoffabgabe Sinn macht. Es gibt bereits Modelle, die die globale, für den Planeten noch verträgliche Menge an CO2-Emission errechnet haben und diese Emissionsmenge dann durch die Anzahl der Weltbevölkerung aufteilen. Bei der derzeitig kraß unterschiedlichen Belastung der Umwelt zwischen den Industriestaaten und den armen Ländern des Südens müßte der Norden dem Süden jede Menge Zertifikate abkaufen, um annähernd so weiterproduzieren zu können wie jetzt.

Abgaben oder Steuern auf umweltschädigende Produktion und entsprechende Produkte sind die andere Möglichkeit, haben aber den Nachteil, daß damit keine absolute quantitative Begrenzung verbunden ist. Es kommt eben nur darauf an, wieviel der Produzent oder Konsument zu zahlen bereit ist. Schily plädiert für einen Mix beider Formen, will die Abgaben aber nicht als Steuer über das Finanzamt erhoben wissen – das führe nur dazu, daß der Staat Mehreinnahmen verbuchen will –, sondern als Ökozins durch ein neu zu errichtendes Umweltbundesamt eintreiben lassen. Dieses Umweltbundesamt soll ähnliche Unabhängigkeit wie die Bundesbank besitzen und den Ökozins gezielt so einsetzen, daß tatsächlich umweltverträglicher produziert und konsumiert wird. Letztlich sei das Ziel ja nicht, neue Steuern zu erschließen, sondern den Ökozins dadurch wieder abzuschaffen, daß nur noch naturverträglich produziert wird.

Ob das wirklich klappt, kommt jetzt auf einen Versuch an. Die Modelle und Berechnungen, das macht Schilys Buch noch einmal klar, sind da, man muß sie nur einsetzen. Eine neue Bundesregierung könnte damit sofort anfangen. Jürgen Gottschlich

Otto Schily: „Flora, Fauna und Finanzen“, Hoffmann und Campe, Hamburg, 352 Seiten, 38 DM

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