: Verschläft Hamburg die Sonnenwende?
■ Ist der Senat schnell genug, kann er den Solarstrom-Boom für 20 Jahre blockieren
„Während 1000 Autos vom Band laufen, werden gerade mal zwei Solarzellen hergestellt“, weiß Wolf Fabeck, Geschäftsführer des Aachener „Solarenergie-Fördervereins“. Doch ohne Massenproduktion kann Sonnenstrom nicht preisgünstig werden. Noch kostet jede mit Hilfe von Sonnenkollektoren erzeugte Kilowattstunde zwei Mark, ein Vielfaches der heutigen Strompreise für Privatkunden.
Doch nach dem Einstieg in die Serienfertigung, so hat eine Enquete-Kommission des Bundestages prognostiziert, könnte die solare Kilowattstunde schon für 20 Pfennige zu haben sein. Die Mitglieder des Hamburger SPD-Fraktionsarbeitskreises „Umwelt“, die dieses gestern abend vernahmen, lauschten gespannt. Sie hatten den Solarexperten eingeladen, um sich über die Vorzüge des „Aachener Modells“ zu informieren, daß bereits in Hannover und Elmshorn Schule macht.
Danach erhält jeder Betreiber einer Solar- oder Windstromanlage, der den Strom ins Netz einspeist, eine kostendeckende Vergütung von den Elektrizitätswerken. Da alternative Energiegewinnung dann kein Zuschußgeschäft mehr wäre, könnte es zum Sonnen- und Wind-Boom kommen und damit zum Einstieg in die kostendämpfende Serienfertigung.
Vergangene Woche sprachen sich bereits CDU, GAL und Statt Partei im Prinzip für eine Übertragung des Aachener Modells auf Hamburg auf. Nur die SPD zeigte sich „erst am Anfang unserer Diskussion“. Doch selbst wenn die regierenden Sozialdemokraten sich für die Sonnenförderung erwärmen sollten, müßten sie zwei hohe Hindernisse überspringen. Neben dem Vorstand der Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) lehnt auch deren Aufsichtsratsvorsitzender Fritz Vahrenholt, hauptberuflich eigentlich Umweltsenator, das Aachener Modell bislang ab.
Sein Argument: Die Supersubvention für den Solarstrom würde dazu führen, daß sich die Industrie nicht mehr anstrengt, den Preis für Solarenergie auf Marktniveau zu drücken. Für Fabeck ist „dieses Argument falsch. Je höher die Nachfrage, desto größer die Produktion und die internationale Konkurrenz: Dann geht der Preis automatisch nach unten und die technische Entwicklung gewinnt an Tempo“.
Hürde Nummer zwei: Laut Fabeck würde das Aachener Modell nur dann rechtsverbindlich, wenn es Eingang in den Konzessionsvertrag zwischen Hansestadt und HEW fände. Doch der wurde gerade neu ausgehandelt und soll in den nächsten Wochen vom Senat abgesegnet werden. Von Solarenergie-Förderung nach Aachener Art steht in dem Abkommen, daß eine zwanzigjährige Laufzeit besitzt, nichts. Ist der Vertrag erst einmal unterzeichnet, könnte die Bürgerschaft beschließen, was sie will. Fabeck: „Dann heißt es zwanzig Jahre warten“. Marco Carini
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