Warnung an Münchner Atomforscher

Ein US-Gericht erlaubt den Rücktransport abgebrannter Kernbrennstäbe / USA erklären sich bereit, atomwaffenfähiges Material aus europäischen Forschungslabors zurückzunehmen  ■ Von Niklaus Hablützel

Berlin (taz) – Was in München heiß begehrt ist, liegt in Berlin herum und sorgt für Ärger: hochangereicherts Uran für Forschungsreaktoren. Die amerikanische Regierung möchte den Stoff, aus dem Atombomben gebaut werden können, sicher verschlossen wissen, möglichst in den eigenen Atomanlagen. Vor fünfzehn Jahren ließen sich die Atomphysiker auch in Japan und Europa überzeugen, daß sie ihren Beitrag zur atomaren Abrüstung leisten sollten. Sie vereinbarten, daß in westlichen Forschungslabors kein waffenfähiges Uran mehr eingesetzt werden soll.

Nur mögen sich heute die Atomforscher in München daran nicht mehr halten. Sie wollen ihren neuen Forschungsreaktor in Garching unbedingt mit eben dieser verpönten Uranklasse betreiben, Die europäischen Nachbarn wundern sich: Sie haben ganz andere Sorgen, sie werden die Überreste aus den hemmungsloseren Zeiten der Atomforschung nicht mehr los. Auch im Berliner Hahn-Meitner- Institut liegen zwanzig verbrauchte Forschungsbrennstäbe. Ihre Restradioaktivität ist so hoch, daß sie nur auf besonders gesicherten Schiffen ins Ursprungsland Amerika zurückgebracht werden könnten. Das Berliner Institut sucht dringend nach einem Abnehmer, das schottische Atomzentrum Dounreay ist teuer und in den Augen der mißtrauischen Amerikaner nicht unbedingt die sicherste Adresse. Doch die USA selbst können ihre Zusage, hochangereichertes Uran zurückzunehmen, nicht immer einhalten. Letzten Freitag mußte sogar Außenminister Warren Christopher persönlich mit einem förmlichen Schreiben die Botschafter Dänemarks, Schwedens, Österreichs und der Niederlande beruhigen. Der Anlaß: Ein Gericht in South Carolina hatte untersagt, daß zwei Schiffe vor dem Savannah River an der Südostküste der USA entladen werden. Sie haben insgesamt 153 verbrauchte Atombrennstäbe aus europäischen Forschungsreaktoren an Bord und lagen wochenlang vor Anker. Am Freitag hat die Berufungsinstanz entschieden, daß die radioaktive Fracht nun doch wie geplant im Atomzentrum von Savannah River eingelagert werden. Das Urteil bestätigt nach Christophers Note die amerikanische Politik der Nichtverbreitung von Atombombenmaterial.

Waffen und Brennstäbe für Forschungsreaktoren werden seit 1988 in Savannah River nicht mehr hergestellt. Umweltschützer befürchten jedoch, daß schon die bloße Einlagerung der Abfälle aus Europa weiteren Schaden anrichten werde.

Aber auch die amerikanische Energieministerin Hazel O'Leary schlug sich in diesem Fall auf die Seite des Außenministers und begrüßt die Entscheidung der Revisionsinstanz. Ihre Erklärung richtet sich vor allem an die Deutschen. Die Annahme des verbrauchten Atommaterials, schreibt O'Leary, sei ein deutliches Signal, daß die USA ernsthaft verhindern wollen, daß hochangereichertes Uran auf dem Weltmarkt verfügbar werde.

Bonner Diplomaten werden die Warnung verstehen: Falls die Münchner Atomphysiker tatsächlich an ihren Plänen festhalten wollen, stehen ihnen nicht nur keine Brennelemente aus den USA zur Verfügung. Auch die Entsorgung des Abfalls kann nicht mehr sichergestellt werden.