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Atomstromer ordnen den Markt neu

Bayern-Werk AG kauft Fincks Mehrheitsanteile an den Isar-Amper-Werken / Im Süden Deutschlands ist der Atomstrom damit unter dem Dach der Viag in einer Hand konzentriert  ■ Von Niklaus Hablützel

Berlin (taz) – Das Geschäft mit dem Atomstrom lohnt sich noch, eine sichere Vermögensanlage ist es aber nicht mehr. Die RWE- Energie AG hat in diesem Jahr zusätzliche 800 Millionen Mark Rücklagen für „Stillegungskosten“ und andere politische Risiken in ihre Bilanz geschrieben. Noch konnte das Geld durch buchungstechnische Tricks lockergemacht werden.

Auf solche Auswege mag August von Finck nicht mehr bauen. Gestern wurde bekannt, daß der Unternehmer, einer der reichsten Männer Deutschlands, seine Mehrheitsanteile an den Isar-Amper-Werken, Betreiber des Atomkraftwerks OHU, an die Bayernwerk AG in München verkauft hat. Soweit bekannt, hielten die drei Familienstämme August und Wilhelm von Finck und Wilhelm Winterstein (Bankhaus Merck Finck) etwa zu gleichen Teilen 45 Prozent der Anteile an einer GmbH, die als Holdinggesellschaft der Isar-Amper-Werke auftritt. Das Geld bleibt in Bayern. August von Finck sagte gestern der Presse, er werde den Erlös für sein Aktienpaket wieder in „bayerische Unternehmen“ anlegen.

Der Ausstieg der Unternehmerfamilie aus dem Energiegeschäft macht für den neuen Partner in jedem Fall Sinn. Die Zusammenarbeit soll noch weiter ausgebaut werden. Durch die „Verflechtung“ entstünden energiewirtschaftliche Vorteile und erhebliche Kosteneinsparmöglichkeiten, ließ gestern ein Sprecher des Bayernwerks mitteilen.

Er weiß, wovon er spricht. Auch das Bayernwerk gehört zu den deutschen Betreibern von Atomkraftwerken. Der Mischkonzern Viag – „Veba für Doofe“, wie Spötter sagen – kaufte in diesem Frühsommer die Mehrheitsanteile, die bisher im Besitz des bayerischen Staates waren. Der Preis war überraschend niedrig, zum Dank zog die Zentrale von Köln nach München um. Ministerpräsident Stoiber pries das Geschäft als wirtschaftspolitischen Durchbruch für den Freistaat.

Edmund Stoibers Coup

Tatsächlich entsteht unter dem neuen Viag-Dach nun im Süden Deutschlands ein Stromkonzern, der es erstmals mit den beiden Branchenführern im Norden, den RWE und der Veba, aufnehmen kann. Fincks Anteile an den Isar- Amper-Werken werden von Finanzanalysten auf weit über eine Milliarde Mark geschätzt.

Noch sind die Bayernwerke unmittelbar nur mit 20 Prozent an ihrem früheren Konkurrenten beteiligt. Ein höheres Engagement ist zwar gewünscht, sei aber aus kartellrechtlichen Rücksichten derzeit nicht möglich, ließ der Firmensprecher verlauten. In der Tat brachten es die Isar-Amper-Werke auch alleine auf 1,9 Milliarden Mark Jahresumsatz.

Auswege aus der wettbewerbsrechtlichen Klemme bieten sich jedoch jetzt schon an. Bislang waren auch die RWE an Fincks Stromunternehmen beteiligt. Insider sehen voraus, daß im Zuge der Neuordnung des Strommarktes die RWE schon sehr bald ihre Isar-Amper- Anteile an die Bayernwerke verkaufen werden. Das klar nach Versorgungsgebieten geteilte Risiko der Atomwirtschaft läßt sich so am besten tragen.

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