: Gerry Mandela läßt irische Wurzeln ergrünen
■ Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams tourt als Friedensengel durch die USA und begeistert amerikanische Politiker / Britische Regierung schaut entgeistert zu
Dublin (taz) – Im anglo-irischen Propagandakrieg, der zur Zeit auf US-amerikanischem Boden ausgetragen wird, liegt die mit der IRA verbundene Sinn Féin nach Punkten deutlich vorne. Parteipräsident Gerry Adams ist auf den ersten drei Stationen seiner vierzehntägigen US-Rundreise mit den höchsten Ehren empfangen worden – nicht zuletzt deshalb, weil viele US-Politiker bei den bevorstehenden Wahlen auf die Stimmen der 40 Millionen WählerInnen mit irischen Wurzeln spekulieren.
Adams hat bisher mit den Senatoren Edward Kennedy und Christopher Dodd, der Bürgerrechtlerin Rosa Parks sowie mit dem früheren Kongreßabgeordneten Bruce Morrison gesprochen, welcher Adams als „einen der großen politischen Führer unserer Zeit“ bezeichnete. Heute trifft er mit dem New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani zusammen, der ihm die Ehrenbürgerwürde der Stadt verleihen wird. Ob Adams bei seinem Abstecher nach Washington in der nächsten Woche ins Weiße Haus eingeladen wird, ist noch ungewiß.
Die US-Medien sprechen von der „Mandelafizierung“ des Sinn- Féin-Präsidenten, seit die IRA Anfang des Monats die Waffen niedergelegt hat. In einem Interview mit dem Boston Herald warnte Adams allerdings, daß die Gewalt erneut ausbrechen könnte, falls „die Gelegenheit für Frieden verpaßt“ werde. „Niemand kann sagen, ob es in zwei oder drei Jahren nicht eine neue IRA-Führung geben wird, wenn die Gründe für den Konflikt nicht ausgeräumt sind“, sagte Adams, „denn das ist in der Vergangenheit stets geschehen.“ Bei seinem Auftritt in den ABC- Nachrichten hatte Adams vorgestern dagegen betont, daß er nicht an „einer vorübergehenden Einstellung der IRA-Kampagne“ interessiert sei, sondern „dauerhaften Frieden“ wolle.
Adams' US-Reise hat die britische Regierung in helle Aufregung versetzt. Nachdem man mit dem Wunsch, ihm das Visum zu verweigern, bei den US-Behörden abgeblitzt war, sandte das Londoner Außenministerium den ehemaligen Staatssekretär für Nordirland, Michael Mates, in die USA. Der Tory-Rechtsaußen, der wegen eines Finanzskandals im vergangenen Jahr seinen Hut nehmen mußte, sollte in der US-Presse ein Gegengewicht zu Adams schaffen, wurde bisher jedoch völlig ignoriert.
Laut Guardian wurde Mates von keiner einzigen US-Zeitung auch nur erwähnt. Beim Fernsehen war er genauso erfolglos. Ein Sprecher von ABC fragte, nachdem ihm Mates für ein Interview angeboten wurde: „Michael who?“ Jetzt hat die britische Regierung deshalb Außenminister Douglas Hurd hinterhergeschickt – in der Hoffnung, daß die US-Medien diesmal mehr Beachtung schenken. Ralf Sotscheck
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