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Weg mit dem Weser-Korsett

■ CDU beginnt eine Debatte um die Renaturierung der Unterweser-Ufer

Im Grunde waren sich alle einig: Für die Unterweser muß etwas getan werden, aber am Status quo könne nicht gerüttelt werden. Rudolf Gaßdorf, Mitglied der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft und Sprecher der Häfen-Deputation, hatte auf die Senatsbarkasse zu einer Reise auf der Weser geladen. Er wolle das wichtige Thema der „Renaturierung der Unterweser“ nicht länger den Medien überlassen, sondern die Kontrahenten selbst mal anhören und sich dann eine Meinung bilden.

Seit Oktober vergangenen Jahres liegt eine Studie der Bremer Universität vor, die in der Bürgerschaft schon für erhitzte Debatten sorgte. Michael Schirmer, Biologe und zuständig für aquatische Ökologie, hatte ein „Rahmenkonzept zur Renaturierung der Unterweser und ihrer Marsch“ vorgelegt. Die WissenschaftlerInnen haben zwei Jahre lang minutiös die vielfältigen Naturräume der Weser untersucht. „Das Gleichgewicht zwischen Zerstörung alter und Schaffung neuer Biotopstrukturen gibt es nicht mehr“, schreiben sie.

Eine Flußmündung und seine Aue leben förmlich von der Zerstörung. Flora und Fauna haben sich in Millionen von Jahren dem chaotischen System von Ebbe und Flut angepaßt. Die Unterwasserlandschaft ändert sich ständig, wo eben noch ein tiefes Loch klaffte, ist nach der nächsten Tide ein Sandhügel entstanden. Auch die Auen müßten für ein ausgewogenes Leben am Rande der Flüße überflutet und freigelegt werden. „Im Korsett des Flußes sind eigenständige biologische Entwicklungen aber nicht möglich“, sagt Martin Rode vom Gesamtverband Natur und Umweltschutz Unterweser (GNUU).

„Die Unterweser ist der kanalisierteste Fluß der Welt“, weiß er und fordert deshalb eine Renaturierung. Anders sei das Artensterben von Tieren und Pflanzen im und am Wasser nicht aufzuhalten. Er würde sich schon mit kleinen Veränderungen am eingedämmten Fluß begnügen, denn „Renaturierung ist auch in Teilbereichen möglich“. „Ein bischen Natur kann dem Fluß nicht schaden“.

Dem Fluß sicherlich nicht aber der Flußschiffahrt und den davon abhängigen Wirtschaftszweigen. Für Bernhard Gabel, Leiter der Rechtsabteilung bei der Klöckner-Stahlhütte, hat „Ökologie einen hohen Stellenwert“, er sieht für die Unterweser „Handlungsbedarf“. Doch Klöckner ist auf die Schiffbarkeit der Weser angewiesen. Erz, Eisen und Kohle bekommt die Hütte über die beiden eigenen Häfen. Das mache 20 Prozent des gesamten Umschlags der bremischen Häfen aus. „Die Weser ist unser Lebensnerv“, sagt Gabel, an den neun ausgebaggerten Metern in der Fahrrinne der Unterweser zwischen Bremen und Bremerhaven müsse festgehalten werden.

Klöckner ist auf diese magische Zahl angewiesen. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Schiffe mit neun Metern Tiefgang in der Unterweser verdreifacht. Und alle fuhren zu Klöckner. Das gemeine Binnenschiff kommt nämlich mit rund siebeneinhalb Metern aus. Der Trend geht aber zum größeren Schiff, das tiefer durch das Wasser furcht. Die Unterweser muß schiffbar bleiben, auch da waren sich alle Reisenden auf der Senatsbarkasse einig. Rund 92.000 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt von den bremischen Häfen ab. „Unser Ziel ist nicht die Wiederherstellung des Zustandes von 1870“ sagt Rode. Damals war die Weser so versandet, daß der Tidenhub bei Bremen 20 Zentimeter betragen hatte. Immerhin konnte Rode damit die Bedenken Gasdorf ausräumen: „Sonst haben wir zum Schluß wieder die Schleppschifffahrt“. fok

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