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Aus für Hamburger Stahlwerke?

■ Der Stadtkasse drohen bis zu 200 Millionen Mark Verlust

Am kommenden Dienstag wird der Hamburger Senat erstmals mit dem tatsächlichen Ausmaß des Desasters um die konkursreifen und verlustbringenden Hamburger Stahlwerke (HSW) konfrontiert: Im günstigsten Fall 110 Millionen Mark, im wahrscheinlicheren Fall aber bis zu 200 Millionen Mark muß die Hamburger Staatskasse noch einmal – über ihr bisheriges Engagement hinaus – in die HSW hineinstecken. Die Chancen, die jetzt noch knapp 800 Arbeitsplätze zu retten, stehen schlecht.

Mit derart ungewöhnlicher Klarheit benennt jetzt erstmals auch eine Senatsvorlage der Wirtschaftsbehörde das von ExpertInnen und KritikerInnen seit Jahren beklagte Risiko des städtischen Engagements bei den HSW. Die Vorlage für die Regierungssitzung am kommenden Dienstag, gestern in Auszügen vom Hamburger Abendblatt dokumentiert, enthält einen ganzen Sack schlechter Nachrichten.

Katastrophe 1: Die Prüfer der Europäischen Union werden aller Voraussicht nach die städtischen Bürgschaften für die HSW als „formell rechtswidrig und auch materiell nicht genehmigungsfähig“ erklären. Damit wird die EU den Trick der Stadt, direkte Subventionen (verboten!) durch Bürgschaften für Landesbank-Kredite an die HSW zu umgehen, im Nachhinein nicht akzeptieren. Die Folge: Die überschuldeten HSW (voraussichtlicher Jahresverlust 1994: 15 Millionen Mark) müßten das Geld zurückzahlen. Das können sie nicht. Folge: Die Stadt müßte 184 Millionen Mark an die Landesbank überweisen.

Katastrophe 2: Die klitzekleine Hoffnung der Stadt, die Stahlwerke an einen privaten Investor zu verkaufen, haben einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Zwar bietet der HSW-Konkurrent Badische Stahlwerke (BSW) eine Übernahme der HSW und eine Garantie für den Erhalt von 600 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 1999 an. Das bevorstehende Prüfurteil der EU hat die Verhandlungen allerdings in eine ernste Krise bugsiert. Als Ausweg, so das Papier der Wirtschaftsbehörde, bietet sich nur ein Konkurs der HSW an, aus dem heraus die BSW kaufen könnten. Allerdings: Auch dann muß die Stadt mindestens 110 Millionen Mark abdrücken.

Schlimmer noch: Die BSW stellen als Bedingung für ihre HSW-Übernahme eine Mehrheitsbeteiligung an der Westdeutschen Drahtindustrie (WDI). Dieses Unternehmen, zu je einem Drittel in Besitz von SPD-Eminenz Gerd Weiland, HSW-Geschäftsführer Dietrich Grosse und dem Geschäftsführer der WDI, ist wichtiger Abnehmer von HSW-Produkten und durch einen einträglichen Vertrag an die HSW gebunden, die jährlich fünf Millionen Mark allein für das Recht zahlen, einen Teil ihrer Produktion bei den WDI loszuwerden. Ohne WDI, darauf weisen Insider seit langem hin, sind die HSW kaum etwas wert.

Der umstrittene Stahlmagnat Gerd Weiland, der seinen Aufstieg in der Stahlszene den Bürgschaften der Stadt verdankt, legt sich allerdings radikal quer: Er will seine WDI-Anteile nicht herausrücken. Dem Senatsunterhändler Hans Fahning, Ex-Landesbankchef, beschied er nach Fahnings Aussagen trocken, die Anteile seien nicht verfügbar. Hintergrund: Weiland denkt nach seinem politisch erzwungenen Ausscheiden bei den HSW (auf Druck von Voscherau) nicht daran, das Stahlmagnatendasein aufzugeben. Noch immer pokert er über ein „Hamburger Konsortium“ um die Eko-Stahlwerke in Eisenhüttenstadt.

Damit mehren sich die Anzeichen, daß der von ExpertInnen längst prophezeite industriepolitische GAU in Sachen HSW bald eintritt: Konkurs, Arbeitsplätze futsch, Geld futsch. Dieses Desaster hätte freilich auch seine guten Seiten: Das Gelände der HSW mitten im Hafen kann die Hafenerweiterung in Altenwerder endgültig überflüssig machen. Und: Die Hamburger Electricitätswerke würden einen defizitbringenden Großabnehmer los, könnten noch freudiger auf die AKWs Brunsbüttel, Krümmel und Stade verzichten. Florian Marten

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