: Wählen mit Köppen
■ Oslebshausener Bürger goes Bundestag
Hans Köppen, 39, Angestellter, ist seit 13 Jahren alleinerziehender Vater, hat sich als Einzelkämpfer also schon bewährt. Nach Jahren aktiver Stadtteilpolitik bereitet er nun den großen Sprung aus Oslebshausen vor. Hans Köppen kandidiert als „Parteiloser Bürger“ zur Bundestagswahl.
Sei Programm besticht durch Überschaubarkeit, es paßt auf eine Schreibmaschinenseite: Runter mit den Politikerbezügen um mindestens 10 Prozent, rauf mit dem Kindergeld auf 250 Mark. Weg mit den Umzugsplänen der Bundesregierung nach Berlin, her mit dem Existenzminimum für alle. Wie hoch das sein soll, vermag der Kandidat nicht so zu sagen, „da gab es doch so ein Gerichtsurteil...“ Zusätzlich muß, wie hoch auch immer, die Mindestrente eingeführt werden, schon wegen der vielen armen Frauen. Arbeitslosenhilfe und Schlechtwettergeld sind zu erhalten, die Bremer Müllgebührenerhöhung gehört dagegen genauso in die Tonne wie die Wahlwerbung. Schlußendlich plädiert Hans Köppen für die „Rettung der Binnenschiffahrt“. Die EU drohe die kleinen Schiffseigner zu ersäufen, warnt der gebürtige Mindener, den es mit sechs Jahren auf einem Binnenschiff nach Bremen verschlug.
Das Motiv, für den Bundestag zu kandidieren, entspringt dem Urquell eigener Erfahrungen: „Da wird viel zu viel geredet, aber es passiert nix“, weiß Köppen, der auf sechs Jahre als Schulsprecher und drei Jahre als Elternbeiratsmitglied zurückblicken kann. Genausolange hielt es ihn im Vorstand des Bürgerhauses Oslebshausen, wo er Inititativen organisierte, wenn wieder mal die Oslebshausener Keller überschwemmt waren oder die Polizeiwache dichtgemacht werden sollte. Er kämpfte jahrelang vergeblich für ein Straßenschild zur Umlenkung des LKW-Verkehrs aus einem Wohngebiet, „aber die Bürgersorgen nimmt doch keiner da oben ernst.“ Darum initiierte er im März 93 den „Arbeitskreis Parteilose Bürger“.
Die „4-20 TeilnehmerInnen“ werden ihn sicher wählen. Außerdem er selbst, die EX-Schwiegereltern und ein Teil jener 200 Menschen, deren Unterschrift Voraussetzung dafür war, daß Horst Köppen seine Kandidatur überhaupt beim Wahlamt beantragen durfte. Unklar jedoch ist, wie die restlichen 17-30.000 Wählerstimmen im Wahlkreis West zu holen sind, die Köppen nach Bonn katapultieren könnten. Seine PR ist bescheiden: Sechs handgemalte Wahlplakate und auf Wochenmärkten verteilte Handzettel sollen seinen Namen über die Oslebshausener Grenze in die Republik tragen.
Hans Köppen sieht seine Chance, „sonst hätte ich mir diese ganze Arbeit doch nicht gemacht.“ Nicht genug der Hoffnung: Die großen Parteien müßten in eine Pattstellung kommen, nur dann, sieht er ein, könnte er mit seiner kleinen Stimme regierungsmäßig was ausrichten. Ob er Kanzlerträume hat? „Nein, ich bin sonst eigentlich ganz normal.“ dah
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