piwik no script img

■ NormalzeitThe Art of Recycling

In der Neuen Nationalgalerie gab es kürzlich eine Ausstellung von Ferrari. Im Zentrum stand dabei der blitzblanke Boxermotor dieses edlen Italo-Schlittens. Initiiert hatte das Ganze der Verein der Freunde der Neuen Nationalgalerie, in Sonderheit die beiden (laut Ulrich Schamoni) „schlauen Poliere“ Guttmann und Groenke – mit ihrer Trigon/ Interhotel/Intertec-GmbH, vormals Klingbeil-Konsortium genannt. Breker-Schüler Karsten Klingbeil hatte den beiden einst die Kunst und den Nationalgalerie-Förderverein nahegebracht. Für Ferraris interessierten sie sich schon immer und beschenkten mit solchen Limousinen gerne Geschäftsfreunde.

In ihrem neuen, äußerst luxuriösen „Trigon“-Domizil in der Katharina-Heinroth-Straße, hinter dem ihnen ebenfalls gehörenden Interconti, residiert auch die feudale Ferrari-Filiale der Stadt, gleich neben ihrem Radiosender 100,6, der von Geschäftsfreund Gafron geführt wird. Schon ihr Vorbildhauer Klingbeil, der mit der Nationalgalerie-Kunst auf Kriegsfuß steht, hatte zu Wolf Vostells autokritischer Cadillac- Plastik auf dem Rathenauplatz angemerkt: „Das Auto ist die wichtigste und größte Erfindung überhaupt. Es ist doch herrlich, so vollklimatisiert durch die Landschaft zu fahren. Also, er tut damit dieser sog. Kunstrichtung keinen Gefallen.“ Der Ferrari in der Nationalgalerie war also quasi eine Wiedergutmachung.

Dafür geht es jetzt äußerst ottomotorkritisch in der Berlinischen Galerie im Gropiusbau zu, wo kleine häßliche Elektroautos gezeigt werden – im Rahmenprogramm der „2. Thermie- Messe“, einer europäischen Ausstellung über alternative Energie- Technologien. Bei der Eröffnung hielt ausgerechnet ein Mitarbeiter aus dem Wirtschaftsministerium eine Rede, in der er völlig verlogen über die freie Marktwirtschaft fabulierte, in die der Staat nicht eingreifen dürfe. Dabei wird von der Landwirtschaft über die Werft-, Stahl- und Kohle- bis zur Flugzeugindustrie so ziemlich alles in Deutschland mit Staatsgeldern produziert, nur eben alternative Energietechnologien kaum, um die wird noch primär ideologisch gekämpft. Als Ausstellung ist die Messe deswegen ein Flop. Wie Joachim Fest von der FAZ einmal sagte, dabei einen im Exil in New York lebenden deutschen Maler plagiierend: „Die Produktivität der Künstler resultiert aus ihrer moralischen Verkommenheit, aus ihrer Fähigkeit, sich den verschiedenen Zeitströmungen anzupassen.“

Soll heißen: Die bisher im Gropiusbau gezeigten Künstler sind einfach interessanter als all die gleich aussehenden bunten Stände der Öko-Technik-Firmen – mit ihrem beflissenen Messepersonal, ihren Vierfarbprospekten, Hochglanzpostern ... Bei den Künstlern gibt es dagegen abgeschnittene Ohren, Schäfchenlocken, Aufschneider, Säufer, Kokainisten, Schüchterne, Mondäne und Rüpelhafte – Sammler, Bastler, Schreibtischtäter usw. Was für ein Panorama!

Außerdem ist auch die reine Kunst mitunter schon ganz schön öko: die von Günther Uecker z.B., der vom Schatzmeister des Vereins der Freunde der Nationalgalerie Heinz Pietzsch gesammelt wird. Uecker läßt seine Nägel-Plastiken von einer westfälischen Landkommune zusammenhämmern. Neulich nun passierte es ihm, wie Jewgenij Jewtuschenko erzählt, daß einige „trinkfreudige Arbeiter“ auf einer Moskauer Ausstellung eine Nagel-Skulptur stahlen und sie an eine Baugenossenschaft verkauften, die die Nägel wieder neu verwendete. („Stirb nicht vor deiner Zeit“, Seite 540). Helmut Höge

wird fortgesetzt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen