piwik no script img

■ Die USA bringen Haiti die KatharsisWas für ein Stück!

Obwohl gerade der erste Akt dieser improvisierten Okkupation Haitis begonnen wurde, ist es nicht zu früh danach zu fragen, was dies alles gebracht haben wird, wenn der letzte Vorhang fällt. Schon jetzt, wo die US- Truppen gelandet sind und sich gerade über das Land zerstreuen, beginnt der US-Kongreß damit, ihren Aufenthalt und ihren Aktionsradius zu limitieren. Täglich betont Präsident Clinton, daß nur Haitianer tun könnten, was für ihr Land notwendig sei. Wie sehr unterscheidet sich doch diese Haltung von derjenigen der ersten US-amerikanischen Okkupation Haitis, die von 1915-1934 dauerte! Es war wohl die längste, die umstrittenste und am wenigsten erfolgreiche aller amerikanischen Okkupationen fremder Länder.

1915 wollte man die Kontrolle der Insel. Bald hatte man auch einen Präsidenten für die Haitianer zum „Wählen“ gefunden, hatte eine Verfassung geschrieben, eine Ausgangssperre verhängt, gängelte die Presse und postierte Soldaten rund um das haitianische Parlament, das just ein Abkommen zur Legalisierung all dieser Maßnahmen beriet.

Das waren noch andere Zeiten; damals hatten die USA knallharte strategische Interessen. Deutschland und Frankreich kontrollierten das ökonomische Leben Haitis und die Passage zwischen Kuba und Haiti, die auch direkt zum Panamakanal führte. Man wollte die Europäer aus den naheliegenden Gewässern raushaben. Als dann Haitis Präsident, der achte in sieben Jahren, vom Mob zerfleischt wurde, marschierten die USA ein und schmissen die Europäer raus.

In den letzten acht Jahren gab es in Haiti wieder fast genauso viele Regierungen wie es die Jahre zählte. Und wieder sind die Amerikaner da. Dieses Mal wird alle Verve und Leidenschaft aber hoffentlich dem Aufbau demokratischer Institutionen dienen und nicht bloß ökonomischen Interessen.

1915 hieß alles „Operation Uplift“. Man wollte Haiti in ein „erstklassiges Land des schwarzen Mannes“ verwandeln, das die USA mit Plantagengütern versorgen und mit den Gelder aus diesen Profiten amerikanische Waren kaufen sollte. Man errichtete Straßen, Brücken, Hospitäler, damit es die Amerikaner auf der Insel auch gut hatten. Man baute eine landeseigene Armee auf, um die Produktion frei von aller Unruhe zu gewährleisten. So stellte man die Weichen für das Armee-gegen-Bevölkerung-Trauma. Sicherlich profitierten einige Haitianer auch von diesen infrastrukturellen Verbesserungen und von der relativen sozialen Ruhe. Doch dann wollten die Nachfahren der weltweit einzigen erfolgreichen Sklavenrebellion nicht mehr länger Sklaven einer fremden Vision sein. In den Jahren nach dem Wegsegeln der US-Marines brachen die Dämme ein, die Häfen verkamen, Brücken stürzten ein, Leitungen versagten, und die Armee wurde immer brutaler.

Und jetzt die neue Operation „Uphold Democracy“. All die Monate und Jahre, die kommen werden, sie werden voller Dramen sein; es wird Spannung geben, mehr Gewalt, mehr Kontrolle, es werden Wünsche wachsen, es wird unruhig werden. Der Widerstand gegen unsere Anwesenheit wird wachsen, und er wird sich die Hand geben mit der Kritik in den USA selbst. Und eines Tages dann werden unsere Truppen davonsegeln, wieder einmal tragisches Opfer ihres Einfallsreichtums.

Warum also überhaupt dieses Drama? Weil es Katharsis verspricht, emotionale Reinigung. Ein gewählter Präsident wird zurückkehren, ein Parlament wird belebt, Infrastruktur wird kommen, es wird wieder Essen geben und medizinische Versorgung. Haitianer werden dann endlich ein wenig Raum und Luft haben, um sich überhaupt in Richtung Demokratie bewegen zu können.

Doch der Epilog ist nicht allein Haiti überlassen, obwohl dies Clinton immer wieder behauptet. Experten sagen, daß Haiti sich niemals wird ökonomisch selbst tragen können. Es wird wohl nie in der Lage sein, seine sieben Millionen Bürger alleine zu ernähren. Haiti wird immer Hilfe brauchen. Aber wenn alles gut geht, wird es weniger Hilfe brauchen. Frances Mclean

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen