Kommentar: Eingeschlagen
■ Ohne demokratische Kultur
Man stelle sich nur einen Augenblick vor, das SED-Regime hätte eine Staatsfeierlichkeit zu organisieren gehabt: Die offiziellen Reden unterscheiden sich nur für die, die das Politchinesisch verstehen. Streitende „Parteien“ gibt es so wenig wie Opposition. Absolutes Demonstrationsverbot. Polizeigewahrsam für potentielle Störer. Staatssicherheit Stufe eins. Das Volk darf den Mund nur aufmachen, um sich Alkohol oder Würstchen reinzustopfen.
Die politische Klasse, Bayern und Bremen hundert Prozent identisch, merkt vor lauter Selbstgefälligkeit gar nicht, daß ihr die Sprache fehlt, um zu einer jüngeren Generation Andersdenkender zu reden. Und damit auch der letzte Demonstrant sich in der Auffassung, der Osten sei „kolonialisiert“ worden, bestätigt fühlen kann, hat nicht einer der ostdeutschen PolitikerInnen die Ost-Sicht der Probleme der Einheit darstellen dürfen.
Man mußte sich nur die DemonstrantInnen angucken, 16, 18, 22 Jahre jung die meisten. „Autonome“, sagen die Vertreter des Gewaltmonopols. Die meisten müssen zu „Autonomen“ aber noch zurechtgeprügelt werden. 270 verhaftet, meldet die Polizei stolz. Wieviele sind verletzt? Was sie an Staatsbürgerkunde an diesem Tag in ihre Köpfe hineingeschlagen bekamen, sitzt - weit eindrücklicher als alles, was Schulunterricht über die Vorzüge der Demokratie und der Freiheit erklären kann. Klaus Wolschner
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