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Fauler Kompromiß auf der Spreewiese

Moabiter Werder: Monofunktionale Nutzung gebiert ein Abgeordnetengetto ohne Umfeld-Anbindung / Bisherige Planung komplett umgeworfen / Sicherheitsinteressen dominieren  ■ Von Rolf Lautenschläger

Im Konflikt um die geplanten Wohnungen auf dem Moabiter Werder für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sich Bonn und Berlin auf einen Kompromiß geeinigt – auf einen faulen, wohlgemerkt. Das „Flaggschiff beim Wohnungsbau des Bundes an der Spree“, wie Engelbert Lütge-Daldrup, Hauptstadtreferent in der Senatsbauverwaltung, findet, kommt nicht nur erst sehr spät, nämlich 1996, in Fahrt. Zugleich torpedieren der architektonische Entwurf und das Nutzungskonzept mit 770 sturmfreien Abgeordnetenbuden die Berliner Stadtentwicklungsstrategie der Durchmischung.

Statt abgestimmter Planung mit dem bestehenden Umfeld sowie den Wettbewerbsarbeiten für das Regierungsviertel von Axel Schultes droht auf dem Moabiter Werder ein isolierter Block zu entstehen, dessen monofunktionale Nutzung mit Sicherheit ein Parlamentsgetto gebiert, aus dem es schwerlich ein Entrinnen geben wird. „Was ist aus dem Anspruch, auf dem Moabiter Werder familiengerechte Wohnungen und soziale Infrastruktureinrichtungen zu bauen und einen offenen Park anzulegen, geblieben?“ fragte die Abgeordnete Michaele Schreyer (Bündnis 90/Die Grünen) gestern im Ausschuß „Bundeshauptstadt Berlin. Statt dessen würden ein umzäuntes Areal für die Mandatsträger und ein unzugänglicher Spreeweg geplant.

Kaum weniger wird entstehen: 1999 und nicht eher – was ein Bild auf den Umzugswillen der Abgeordneten wirft – soll das Neubauquartier mit Wohnungen, ein paar Läden, einer Schule und Kita sowie einem Park entlang der Spree fertiggestellt sein. In Abkehr von der postulierten städtebaulichen Offenheit schiebt der Entwurf der Architekten Henze und Vahjan (Braunschweig) mit einem 250 Meter langen achtstöckigen Wohn-Wurmfortsatz dem Bezirk einen zusätzlichen Riegel entlang des S-Bahn-Viadukts vor. Zur Spree zugewandt, planten die vom Bundesbauministerium beauftragten Baumeister sechs kammförmige Zeilen, in deren blockartige Höfe der „Spreepark“ wie eine Binneninsel hineinwachsen kann.

Das neue Konzept bedeute einen „Kompromiß“ zwischen dem Bebauungskonzept des Senats von 1991/92 und den Planungen des Bundes, versucht Lütge-Daldrup die Differenzen auszugleichen. Schließlich bleibe die städtebauliche Grundstruktur erhalten, die Appartements kämen an die S-Bahn, und die familiengerechten Wohnungen fänden sich in den Zeilen. Auch die Infrastruktureinrichtungen würden zu Ende geführt, so der Hauptstadtreferent.

Tatsächlich zitiert der Vorschlag des Bundesbauministeriums nur in Teilen die einstigen Vorstellungen der Berliner Architekten Nalbach, Reidemeister/ Glässel, Zengelis, Newger/Suselbeck. Denen war nach fast achtjährigem Planungsgezerre ein Hochhaus-Entwurf gelungen, der die modernistische Bebauung des nahen Hansa-Viertels und die bauliche Spannung von Stadt- und Landschaftsraum fortsetzte. Der neuen Planung haftet dagegen ein „biederer“ Beigeschmack an, wie der SPD-Bauexperte Peter Conradi findet. Und unverständlich sei, daß die Berliner Architekten vom Verfahren ausgeschlossen blieben.

Geradezu ärgerlich aber macht, daß die früher geplante Zugänglichkeit, das durchmischte Wohnquartier und die spezifischen Berliner Interessen außen vor bleiben werden. Zweifellos werden den Park-Wettbewerb die Sicherheitsexperten des Kanzlers ausloben. So ist es schwer vorstellbar, daß ein Spreeweg am Kanzlergarten und ein städtischer öffentlicher Raum unter den Balkonen der Abgeordneten entstehen, die nicht von schwerbewaffneten Grenzschützern gesichert bleiben.

Fatal in diesem Zusammenhang ist auch, daß wegen der geänderten Neubaumaßnahmen das Bebauungsplanverfahren neu aufgerollt werden muß: „Statt Klarheit bei der Planung, die den Umzug beschleunigen könnte, haben wir nun das Problem, daß der Wohnungsbau auf dem Moabiter Werder erst spät fertiggestellt werden kann, obwohl dort mit dem Bau begonnen werden könnte“, sagt Peter Kroll von der Senatsverwaltung für Bundes- und Europaangelegenheiten. Die hartnäckige Weigerung des Bundes, mit dem Baubeginn schon jetzt zu beginnen und bei Umzugsverzögerungen die Wohnungen Berliner Mietern anzubieten, programmiert somit das Getto.

Nicht nur das: Auch der Bezirk Tiergarten gerät ins Hintertreffen. Der erhoffte Baubeginn für die Kita und die Grundschule im Verwaltungsbau der Hamacher-Spedition sowie eine Sporthalle werden sich durch die Langsamkeit des Bundes ebenfalls verzögern. Dabei soll die Räumung des Geländes bereits „im Frühjahr 1995“ beendet sein, wie Kroll betont. Und falls sich mit dem Umzug einiges verzögert, wird das Projekt Moabiter Werder erneut auf die lange Bank geschoben.

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