Berlin soll Zufluchtsort für Künstler werden

■ Berlin tritt als erste Stadt der Welt einem internationalen Netzwerk für verfolgte Schriftsteller bei

Berlin will politisch verfolgten AutorInnen Zuflucht gewähren. Als erste Stadt der Welt schloß Berlin ein Abkommen mit dem Internationalen Parlament der Schriftsteller, das am vergangenen Wochenende in Lissabon tagte. Ab Januar wird dafür eine möblierte Wohnung und ein Stipendium in Höhe von monatlich 3.100 Mark zur Verfügung stehen, teilte Kultursenator Ulrich Roloff-Momin mit.

„Wir haben schon in der Vergangenheit Künstler aller Sparten, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt wurden, über das Berliner Künstlerprogramm des DAAD unterstützt. Neu ist, daß wir uns damit in das internationale Netzwerk Städte der Zuflucht einreihen“, erklärte der Kultursenator. Roloff-Momin sieht darin auch eine Fortsetzung der Solidarität mit dem britischen Schriftsteller Salman Rushdie.

Allerdings sei nicht daran gedacht, Rushdie oder Taslima Nasrin (Bangladesch) nach Berlin zu holen. „Bei beiden ist Hilfe für lange Zeit gesichert. Ich fände es auch unglücklich, wenn man meinte, es sei besonders gut, einen der international diskutierten Fälle unbedingt haben zu müssen“, vertrat der Kultursenator.

Das Stipendium vergibt ohnehin das Komitee Städte der Zuflucht in Absprache mit der Literaturjury des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. In dem Komitee des Schriftstellerparlaments sitzen derzeit Pierre Bourdieux, Jacques Derrida und Christian Salmon. „Bis November soll dem DAAD eine Liste mit zehn Namen bedrohter Autoren und Autorinnen vorgelegt werden“, erklärte der Lyriker und Leiter des DAAD, Joachim Sartorius, der dem Komitee zuarbeitet. Bei der Tagung des Schriftstellerparlaments in Lissabon seien bereits erste Namen gefallen. Darunter Sony Laboutansi, der im Kongo unter Hausarrest steht, und der Nigerianer Wole Soyinka. Soyinka habe bei einer ersten Kontaktaufnahme jedoch erklärt, daß er weiterhin im Land bleiben wolle, um dort den politischen Kampf weiterzuführen.

Sartorius rechnet damit, daß die Vergabe „wegen der Eile“ diesmal telefonisch zwischen den beteiligten Gremien abgestimmt wird. Finanziert wird das Programm aus Mitteln des Berliner Künstlerprogramms. Der Zeitraum des Stipendiums ist nicht festgelegt. „Wir wollen das nach Bedarf machen“, erklärte Roloff-Momins Literaturreferent Dietger Pforte. Roloff- Momin verwies auf die besondere Verantwortung Deutschlands. „So wie vielen Künstlern, die während der Nazizeit verfolgt wurden und fliehen mußten, geholfen wurde, möchten wir heute Menschen helfen, die in Not sind.“ Daran anknüpfend, wird das Stipendium nach dem Erzähler Arnold Zweig benannt, der 1933 emigrieren mußte. Dorothee Winden