: Doch kein Selbstmord in der Wanne?
Im Fall des mysteriösen Todes von Schleswig-Holsteins früherem Ministerpräsidenten Uwe Barschel sorgt ein neues Schweizer Gutachten für Wirbel / Wurde der CDU-Politiker ermordet? ■ Aus Kiel Kersten Kampe
Der mysteriöse Tod von Uwe Barschel vor fast sieben Jahren ist immer wieder für Spekulationen gut. Vor allem dann, wenn sich der Jahrestag nähert, denn Barschel starb am 11. Oktober 1987 in der Badewanne seines Zimmers im Genfer Hotel „Beau Rivage“. Sieben Jahre später bahnt sich jetzt erneut ein Gutachterstreit um die Todesursache an. Der Lübecker Staatsanwaltschaft liegt das Gutachten eines Schweizer Wissenschaftlers vor, das Zweifeln an einem Selbstmord des ehemaligen schleswig- holsteinischen Ministerpräsidenten neue Nahrung gibt. Gleichzeitig stellten Schleswig-Holsteins Justizminister Klaus Klingner und der Lübecker Oberstaatsanwalt Heinrich Wille gestern ein vorläufiges Gegengutachten vor. Die Staatsanwaltschaft geht aufgrund des Gegengutachtens weiterhin vom Selbstmord Barschels aus.
Der 73jährige Züricher Wissenschaftler Hans Brandenberger kommt in seinem Gutachten vom Mai diesen Jahres zu dem Ergebnis, daß Barschel das Medikament, das zu seinem Tode führte, nicht selbst eingenommen hat. Nach Ansicht des Wissenschaftlers könne der CDU-Politiker bereits im Koma gelegen haben, als das tödliche Medikament, das Schlafmittel Cyclobarbital, in seinen Körper gelangte.
Das Brandenberger-Gutachten gehört nach Angaben der Staatsanwaltschaft zu umfangreichen Ermittlungsunterlagen, die die Lübecker Behörde Mitte September vom Generalstaatsanwalt in Genf erhalten hat. Zwei weitere Schweizer Wissenschaftler haben nach Angaben von Wille an dem Gutachten mitgearbeitet, es aber aus bisher unbekannten Gründen nicht gegengezeichnet. Die Mordthese, die bisher hauptsächlich von der Familie Barschel vertreten wurde, könnte durch das Gutachten aus der Schweiz neuen Aufwind bekommen.
Nach bisherigen Erkenntnissen ging man von einem Freitod Barschels aus, der sich nach Bekanntwerden der kriminellen Machenschaften aus seiner Staatskanzlei gegen den damaligen SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm auf aussichtslosem Posten befand.
Keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden
Diese These unterstützt das vorläufige Gutachten, das die Lübecker Staatsanwaltschaft bei dem deutschen Toxikologen Ludwig von Meyer aus München in Auftrag gab. Von Meyer kommt darin zu dem Schluß, daß sich die Feststellungen im Gutachten von Brandenberger nicht aufrecht erhalten lassen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft heißt es bei von Meyer: „Aus fachlicher Sicht liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden vor.“ Gesicherte Kenntnisse über die Reihenfolge der von Barschel aufgenommenen Wirkstoffe seien nach dem derzeitigen Wissensstand nicht möglich. Bis zu einer abschließenden Aussage seien noch zusätzliche wissenschaftliche Auswertungen erforderlich.
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