: Ärzte: Abschiebehäftling aus Nigeria erstickte
■ Tod des Nigerianers Kola Bankole: Acht Ärzte bezweifeln Herzversagen als Ursache / Informant sah vollständigen Obduktionsbericht
Kola Bankole, der 30jährige Nigerianer, der am 30. August in einer Lufthansa-Maschine auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen starb, ist an einem Knebel erstickt. Das jedenfalls behaupten seit gestern acht Frankfurter Ärzte der Organisation Internationale Ärzte zur Verhinderung des Atomkriegs (IPPNW) und der Vorsitzende des Vereins Demokratischer Ärzte und Ärztinnen, Winfried Beck. Sie wandten sich mit einem offenen Brief an ihre Kolleginnen in der Flughafenklinik und erhoben schwere Vorwürfe gegen sie. Pro Asyl forderte gestern eine sofortige Veröffentlichung des Obduktionsberichtes. Außerdem wurde auf die Verantwortung des Bundesinnenministers Manfred Kanther (CDU) für die gesamte Abschiebepraxis verwiesen. In einem von der Staatsanwaltschaft nur teilweise veröffentlichten Obduktionsbericht hatte es geheißen, der Mann sei an den Folgen einer Beruhigungsspritze umgekommen. Bankole war als abgelehnter Asylbewerber aus Rheinland-Pfalz zum Flughafen gebracht und dort dem Bundesgrenzschutz übergeben worden. Er hatte sich, wie schon mehrere Male zuvor, heftig gewehrt und war gegen seinen Willen mit einer Spritze ruhiggestellt worden. Als Todesursache galt Herzversagen, weil der Mann eine schwere, dem BGS und dem Arzt nicht bekannte, Herzkrankheit gehabt habe.
Dies könne, so gestern Claus Metz der IPPNW, „eine Schutzbehauptung“ der Verantwortlichen gewesen sein. Vieles deute darauf hin, daß „der Hüne von Mann vielleicht ein Sportlerherz gehabt hat“. Ein „mutiger Lufthansa-Mitarbeiter“ habe die Gelegenheit gehabt, den kompletten Obduktionsbericht einzusehen. Außerdem habe IPPNW Informationen anderer Lufthansa-Angestellter, nach denen von einer Herzkrankheit bei Kola Bankole nicht die Rede gewesen sei. Üblicherweise werde davon die Crew informiert. Die Spritze könne aber auch „einen erheblichen Anteil“ am Erstickungstod gehabt haben. Außerdem erfuhr IPPNW davon, daß Abzuschiebende brutal zusammengeschlagen worden seien und daß das Lufthansa-Personal darüber „zu strengstem Stillschweigen“ verpflichtet worden sei.
Gestern vormittag dementierte Staatsanwältin Becker-Toussaint die Vorwürfe: „Das glaube ich nicht.“ Sie erklärte, im Obduktionsbericht sei bisher von Herzversagen die Rede gewesen und deshalb werde auch nur untersucht, ob dieses im Zusammenhang mit der eine halbe Stunde zuvor verabreichten Spritze stehe. Der vollständige Bericht werde „zum Schutz des behandelnden Arztes“ nicht veröffentlicht. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung. Die Staatsanwaltschaft erwäge jetzt aber, ein zweites Gutachten einzuholen. Dem Mann sei, so Becker-Toussaint, „für den Transport ein Beißschutz angelegt worden“. Er habe behauptet, er sei aidskrank, und gedroht, „Beamte zu beißen“. Daniel Cohn-Bendit, Stadtrat für multikulturelle Angelegenheiten, forderte die Frankfurter Staatsanwaltschaft auf, den Bericht zur Beseitigung der Unklarheiten endlich vollständig vorzulegen. FAG-Pressesprecher Wolfgang Schwalm wies die Vorwürfe gegen die Klinik zurück. Der dort angestellte Arzt habe die Amtshilfe „auf privater Basis“ in seiner Freizeit im Urlaub geleistet. Üblich sei es, den Flughafenärzten die Nebentätigkeitserlaubnis für Einsätze der Deutschen Rettungsflugwacht zu geben. Der Mediziner sei aber vom Bundesgrenzschutz ohne eine solche Erlaubnis angefordert worden. Außerdem, so Schwalm, „setzt ein Arzt keinen Knebel“.
Die IPPNW untersucht zur Zeit weitere Todesfälle aus der Vergangenheit. Im Frühjahr dieses Jahres sei eine Frau ebenfalls durch Ersticken umgekommen. Nigeria hatte wegen des Todes von Kola Bankole bei der Bundesregierung protestiert und die Aufklärung der Todesursachen von seit 1991 vorwiegend im Abschiebeverfahren umgekommenen 24 Landsleuten gefordert. Heide Platen
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