: Ein Punkt freut zwei
Nach einem 1:1 können sowohl Lauterer wie Bayern weiter positive Perspektiven ausmachen ■ Von Günter Rohrbacher-List
Kaiserslautern (taz) – Seine Münchner Zeit dürfte sich Jean- Pierre Papin nach all den demütigenden Tiefschlägen beim AC Mailand etwas anders vorgestellt haben. Glanzvolle Auftritte neben Alain Sutter in der Bundesliga und der Champions League sollten wechseln mit überragenden Vorstellungen im Dreß der französischen Nationalmannschaft. Doch die Equipe Tricolore wird morgen abend in Saint Etienne ihr EM- Qualifikationsspiel gegen Rumänien ohne JPP austragen. Schlicht nicht eingeladen hat ihn Trainer Aimé Jacquet und damit im Gegensatz zu Berti Vogts sehr viel Mut bewiesen.
Wäre der vielkritisierte Nachfolger von Gerard Houllier am Mittwochabend auf dem Betzenberg gewesen, er hätte sich selbst auf die Schulter geklatscht ob seiner Entscheidung gegen Papin. Der kleine und einst so quirlige Franzose wirkte wie ein Fremdkörper in einer in der ersten Halbzeit ziemlich desorientierten Bayernelf. Ein Zuspiel des ebenfalls schwachen und zudem auf einer falschen Position spielenden Alain Sutter nahm Papin zwar an, doch das Tor traf er aus nächster Entfernung nicht. Was schade war: Es hätte der Anfang einer torreichen Partie werden können, nachdem Pavel Kuka bereits nach neun Minuten die 1:0-Führung für den 1. FCK besorgt hatte.
Der zweite Verlierer ds Abends waren die vielgelobten Fans des 1. FC Kaiserslautern. Was sie seit Wochen an Einfallslosigkeit und Unverschämtheiten ungestraft demonstrieren, geht auf keine Kuhhaut. Eine Fangemeinde, die vor gut einem Jahr die „Rote Karte dem Rassismus“ zeigte, gefällt sich von Spiel zu Spiel in der hirnlosen Schmähung des jeweiligen Gegners als „schwuler VfB, BVB, KSC und FCB“. Und zu Giovanni Trapattoni mag man stehen, wie man will. Aber ihn als „Wichser“ zu diffamieren...
Auch die viel zu sanfte Intervention des hoffnungslos überforderten Stadionsprechers Udo Schömbs anläßlich der Aufforderung zur Körperverletzung („Haut die Bayern um“) half nichts: Der Banker erntete ein gellendes Pfeifkonzert und sehnsüchtige Sprechchöre nach seinem geschaßten Vorgänger Scholz.
Nicht nur in der Westkurve hatten sich nach dem frühen 1:0 viele den Abend ganz anders vorgestellt. „Aber wir können einen FC Bayern München nicht jedesmal mit 4:0 schlagen“, wollte FCK- Trainer Friedel Rausch, ob des Medienrummels um Trapattoni leicht angesäuert, von Vergleichen nichts wissen. Dabei ließ sich der ungeordnete Zustand der FCK- Abwehr nach dem 1:1 der Bayern durchaus mit dem von Karlsruhe nach dem 3:3-Ausgleich des KSC vergleichen.
Die Abstimmung fehlte, Miroslav Kadlec orientierte sich in dieser Phase des Spiels viel zu weit nach vorn, um die Entscheidung mit zu erzwingen, hinzu kamen Abspielfehler und Unkonzentriertheiten en masse. So auch geschehen vor Zicklers schönem Ausgleichstor: Nach Roos' Flanke köpfte Kadlec Marschall in den Rücken, worauf Matthäus den Ball aufnehmen konnte und geschickt Zickler bediente. Lothar Matthäus, im übrigen der alle überragende Spieler auf dem Platz, wäre nur fünf Minuten nach dem Ausgleich fast zum Matchwinner geworden: Sein genial angeschnittener Freistoß landete am Lattenkreuz, und Kadlec rettete zur Ecke.
Hätte der 1. FCK in der ersten Halbzeit alles klar machen können, nach guten Chancen von Marschall und Matthias Hamann, so durfte Friedel Rausch am Ende wie schon gegen Frankfurt, Stuttgart und Schalke froh sein, glücklich eine Niederlage vermieden zu haben. „Wir können nicht jeden Gegner 90 Minuten an die Wand spielen“, haderte Rausch denn auch mit der übersteigerten Erwartungshaltung vieler Zuschauer. Intern sah man nämlich nur frohe Gesichter: Stefan Kuntz freute sich über sein bald bevorstehendes Comeback, und Präsident Norbert Thines schwelgte schon in Vorfreude auf eine 4.800 Kilometer lange Reise. Zusammen mit sieben Mitgliedern des Fan-Beirates wird der rote Oberteufel morgen früh um fünf Uhr in Richtung Tarnovo (Bulgarien) aufbrechen, um medizinische Hilfsgüter im Wert von 100.000 Mark zu überbringen.
So ist das: Mancher Anhänger der „Roten Teufel“ trauerte nach dem 1:1 der erneut verpaßten Tabellenführung nach. Aber angesichts des Elends in den Kliniken von Tarnovo läßt sich mit einem Unentschieden gegen den Deutschen Meister vortrefflich leben.
Bayern München: Kahn - Matthäus - Kreuzer, Babbel, Zickler, Schupp (74. Dietmar Hamann), Scholl, Nerlinger, Ziege - Papin, Sutter (58. Sternkopf)
Zuschauer: 38.500; Tore: 1:0 Kuka (9.), 1:1 Zickler (77.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen