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Arbeitslose bilden Arbeitslose aus

■ In den Slums von Dakar blühen vielfältige Bildungsinitiativen

Die 15jährige Rama lebt in einem Slum der senegalesischen Hauptstadt Dakar und ist insgesamt zwei Jahre lang zur Schule gegangen. Sie ist das siebte von zwanzig Kindern; ihr Vater ist arbeitslos. Wie die meisten Mädchen Senegals kommt Rama im Bildungssystem nicht vor – nur eine von fünf Schülerinnen kommt über das Grundschulniveau hinaus. Rama arbeitet als Hausmädchen: 4.000 bis 8.000 FCFA im Monat (13 bis 24 Mark) verdient sie, indem sie wohlhabenden Familien das Haus putzt und die Wäsche wäscht.

In ihrem Viertel gibt es eine Jugendgruppe, gegründet von arbeitslosen Ex-Studenten. Die Gruppe stellt der Gemeinde kostenlose Dienste wie Straßenreinigung zur Verfügung und darf dafür in einem kleinen Raum von sechs bis acht Uhr abends Alphabetisierungskurse durchführen.

Diese „Straßenschulen“ gibt es mittlerweile fast überall in den Slums von Dakar. Dorthin gehen Kinder, deren Eltern die Anmeldung zur staatlichen Schule nicht geschafft haben: Oft stehen Eltern nachts Schlange vor dem Haus des örtlichen Schuldirektors und müssen morgens unverrichteterdinge wieder abziehen – die Einschreiblisten werden geschlossen, sobald die offiziell ermittelte Zahl der Erstkläßler erreicht ist. 1992 konnte die Hälfte von 200.000 Schulpflichtigen nicht angemeldet werden. Die Mehrheit der Eltern kann sich keine Privatschule leisten, und wenn sie nächstes Jahr wiederkommen, heißt es: Ihr Kind ist über sieben Jahre alt – also zu alt. Der Alphabetisierungs-Staatssekretär der senegalesischen Regierung will nun die „Straßenschulen“ und die sie organisierenden Jugendgruppen zu Partnern machen und damit die vom Staat auf spontane Gruppierungen übergegangene Initiative im Bildungssektor zurückholen. Als Ergebnis dieser Partnerschaft sind in den Slums mittlerweile vielfältige Ausbildungsprogramme für Arbeitslose entstanden: Freiwillige Helfer – die auf spätere Festanstellung beim Staat hoffen und vorerst von den Ministerien für Kultur und für Jugend subventioniert werden – lehren Schneiderei oder Buchhaltung und sammeln dafür Spenden. Problematisch ist hier nur, daß die so Ausgebildeten später trotzdem keine Arbeit finden, da es schon viel zu viele Handwerker gibt. Viele professionelle Handwerker tun nämlich so, als bildeten sie ebenfalls Lehrlinge aus; sie holen Kinder von der Straße, geben ihnen Kleingeld und stellen juristisch wertlose „Zeugnisse“ aus.

Auch sogenannte „franko-arabische“ Koranschulen sind in den Slums zu finden, finanziert von islamischen Vereinigungen, die wiederum ihre Gelder aus Saudi-Arabien oder Kuwait erhalten. Hier lernt man vor allem Arabisch und ein bißchen Französisch. Der Staat läßt die Absolventen dieser Schulen zum staatlichen Arabisch-Examen zu. Sie erhalten dann oft Stipendien zum Studium in einem arabischen Land und können bei der Rückkehr mit arabischem Geld eigene Schulen eröffnen. C.N.

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