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■ Der DAX, die FDP und die AusländerKauft Escada-Aktien!

Die Ausländer sind schuld. Sowieso. Und in diesem Fall sind sie tatsächlich schuld. Seit drei Wochen sorgen ausländische Broker am heimischen Aktienmarkt für eine donnernde Talfahrt: ein regelrechter Ausverkauf der deutschen Standardwerte hat eingesetzt. Am Mittwoch durchbrach der deutsche Aktienindex die Marke des Jahrestiefs. Und ein Ende des Crashs ist nicht in Sicht. Der Markt hat „keinen Boden mehr“, orakeln die Beobachter. Die berühmten Unterstützungs- und Widerstandslinien werden wie Streichhölzer geknackt, es geht steil nach unten.

Die Broker rechnen offenbar – hurra! – fest mit einem Scheitern der FDP und ergo mit einem Machtwechsel in Bonn. Klar, daß es dann brutal mit der Wirtschaft abwärtsgehen muß. Die Autokonzerne werden vorwiegend Fahrradklingeln herstellen, Bayer und BASF produzieren homöopathische Kügelchen, und Siemens, keine Frage, installiert mit seiner kleinen Restbelegschaft Windräder im Landkreis Dithmarschen. Hochtief, Holzmann und Strabag werden von Joschka bis auf weiteres geschlossen. Bei Escada laufen faserfeste Wollwindeln vom Band.

Ist sie das, die neue Zukunft Deutschlands? So muß sie jedenfalls den Tausenden Kleinaktionären erscheinen, die jetzt um ihre Ersparnisse zittern. Wahlkampf auf dem Börsenparkett: nachmittags kommen die neuen Horrormeldungen aus Frankfurt, abends beschwören die Wahlkampfspots der Konservativen den Untergang Deutschlands durch Rot-Grün. Die Bundesrepublik auf dem Weg zu einem Land der „Jäger und Sammler“ (Lambsdorff).

Alles Quatsch: Die Börse wird sich in jedem Fall erholen, egal ob die Ampel, Rot-Grün oder – Maria hilf! – eine große Koalition regiert. Eine wacklige Börse und Angstparolen aus der Wirtschaft erleben wir alle vier Jahre wieder vor jedem Wahltermin. In diesem Jahr multiplizieren die steigenden Zinsen den Wahl- Effekt. Und da ohnehin ein Abbröckeln der Kurse zu erwarten war, fällt der Einbruch diesmal eben besonders dramatisch aus.

Interessant bleibt freilich die Frage, ob die Ausländer mit ihrer Verkaufswelle das richtige Näschen hatten oder ob die FDP am Ende doch noch die fünf Prozent packt. Zunächst einmal bleibt der Kurseinbruch eine gute Nachricht, weil er zeigt, daß ausländische Broker den Machtwechsel in Bonn für möglich halten. Das Problem: Auf ihren Instinkt kann man sich leider nicht verlassen. Falls sie aber doch recht haben, raten wir zum Kauf von Escada-Aktien. Wollwindeln könnten der große Renner werden, weil sich so viele wegen Rot-Grün vor Angst in die Hose machen. Manfred Kriener

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