■ Mit deutscher Atomsicherheit auf du und du
: Farbenblinde am Werk

Berlin (taz) – Das Problem ist schwierig genug, die Lösung, die dafür gefunden wurde, besticht durch eine gewisse technische Eleganz. Wenn radioaktive Stoffe gelagert werden, müssen sie so sicher wie nur irgend möglich in Behältern eingeschlossen werden. Das gilt auch für die kugelförmigen Brennelemente des gescheiterten Hochtemperaturreaktors von Hamm. In Fässern verpackt, werden sie seit einiger Zeit in das Zwischenlager von Ahaus transportiert. Bevor sie auf die Reise gehen, wird das Sicherheitssystem aktiviert, das noch nach Jahrhunderten anzeigen soll, ob der Behälter dicht ist.

Der Alarm funktioniert mit Helium – und nur damit. Das Gas ist so leicht flüchtig, daß es durch beinahe jede Ritze dringt. Hier wird es zwischen die Doppelwände der Behälter gepumpt und wird Risse und undichte Stellen schon anzeigen, wenn das Faß für die größeren Moleküle der radioaktiven Stoffe noch dicht ist.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, lernen Ingenieure in der Grundschule. Um so mehr wunderte sich das Betriebspersonal im Lager Ahaus über die letzte Fracht aus Hamm. Die sinnreiche Enrichtung war außer Kraft gesetzt, drei der Fässer enthielten kein Helium, sondern das sehr viel billigere Argon. Wenn dieses Industriegas durch die Wand dringt, dürfte der Behälter schrottreif und seine Umgebung radioaktiv verseucht sein, außerdem sind die Sensoren des Gasmelders auf Heliummoleküle eingestellt.

Irritiert schickte die Gesellschaft für Nuklearservice, die sonst gewiß nicht zimperlich ist, die Fässer nach Hamm zurück. Dort wurden noch vier weitere gefunden, bei denen der Heliumalarm ausgeschaltet war. Die Betreiber des Reaktors, der als Höchstleistung deutscher Technik gepriesen worden war, können den Fehler leicht erklären: Die Gasflaschen nämlich sähen gleich aus – eine Verwechslung könne ja mal vorkommen, teilt die Gesellschaft mit. Üblicherweise wird jedoch Helium und Argon in unterschiedlich eingefärbten Flaschen geliefert. Die örtliche Bürgerinitiative mag an die Hammer Farbenblindheit nicht glauben. Sie fordert, mindestens die atomrechtliche Zulässigkeit des Betreibers zu überprüfen. Niklaus Hablützel