Beerdigung

■ Fanny Müller - Die 24. Geschichte von Frau K.

rau Petersens Schwester Gertrud ist hochbetagt gestorben und kriegt jetzt ein schönes Begräbnis. Gespielt wird das Largo von Händel und der Pfarrer ist einer von der Herz-Jesu-Fraktion, der alle zu Tränen rührt. Dabei fällt kaum auf, daß er Gertrud gar nicht gekannt hat und von trauernden Kindern und Kindeskindern redet. Gertrud war nämlich aus Prinzip ledig geblieben und hatte immer Wert darauf gelegt, als Fräulein Kleinschmidt angesprochen zu werden. Bevor der Sargdeckel geschlossen wird, dürfen wir alle noch mal reinkucken. Gertrud ist prima zurechtgemacht. „Die hat in ihrn ganzen Leben nich so gesund ausgesehn“, flüstert Frau K. mir zu. Herr Mahnke, der emeritierte Frisör des Viertels, ist auch gekommen. Jetzt hat sein Sohn den Laden und nennt sich Hairstylist, was Frau K. aber nicht daran hindert, ihn als den jungen Putzbüdel zu bezeichnen. Herr Mahnke wirft einen professionellen Blick auf die Dauerwelle der Leiche und findet, daß weniger hier mehr gewesen wäre. Aber schließlich muß die ja lange halten.

Hinterher sind wir bei Frau Petersen zum Kaffee eingeladen. Anneliese Köster, die jetzt zu uns stößt, hat aus Gründen, die man leicht riechen kann, einen Black-out und gratuliert herzlichst statt zu kondolieren. Frau Petersen bleibt gelassen: „Anneliese, übernimm dich nich, dahinten is die Bar!“

Hermann Kuhlmann, der sich gerne als Pragmatiker bezeichnet, fragt zwischen zwei Tortenbissen nach dem Erbe. „Erbe?“ sagt Frau Petersen, „meinstu ihr EMMA-Abonnemang? Das kannstu gerne ham.“ Hermann möchte nicht. Im Laufe des Nachmittags erfahren wir aber, daß die Verblichene doch eine testamentarische Verfügung getroffen hat: Ihre Untermieterin soll die Wohnung übernehmen. „Das nenn ich humanes Sterben!“ sagt Frau K.