■ Europas Adel an Ferdinands Grab: Viel Spaß!
Mit Louis Ferdinand, dem letzten Hohenzollern, hat in der vergangenen Woche das Filetstück der männlichen Bevölkerung Deutschlands den goldenen Löffel abgegeben. Denn immerhin war das, was seit gestern im Berliner Dom zwischen Satinlaken verwest, jahrzehntelang das Spekulationsobjekt tagträumender Großmütter. Dabei war Hochwohlgeboren eher ein schlichtes Gemüt. Stets trug er die gleichgültige Miene eines Menschen zur Schau, der im Nebenberuf Großkonzerne fusioniert. Er zelebrierte die vornehme Abwesenheit. Er der Enkel des deutschen Kaisers? Nein, Louis Ferdinand war einer, der es einfach liebte: hier ein Becherchen rote Grütze, da ein Rührei mit Maggi und gelegentlich einen Whisky. Ja, die feudale Kleinmannssucht ging so weit, daß er nach Beendigung seines Studiums 1929 nach Amiland reiste, um bei Ford am Fließband malochen zu üben. Aber es dauerte nicht lange, bis der Adelssproß merkte, daß er unterm falschen Baum gebellt hatte. Er kehrte zurück nach Berlin und heiratete eine russische Großfürstin, der er in Folge ein halbes Dutzend Gören machte. Fortan widmete er sich der Verwaltung des hohenzollernschen Vermögens.
Nachdem seine Wertschätzung bei Stimmungs- und Meinungsmachern der einschlägigen Sabber-, Rufmord- und Paparazzi- Presse jetzt ein jähes Ende fand, weil Durchlaucht einem Herzkasper erlag, wird der kaiserliche Leichnam noch ein letztes Mal Medienereignis: Heute wollen sich rund 400 Mitglieder des europäischen Hochadels inklusive Diepgens Eberhard am aufgebahrten Prinzenrest treffen, um ihrem mit der Streichung aus der Anwesenheitsliste entstandenen schmerzlichen Verlust Ausdruck zu verleihen. Anläßlich der Feierlichkeit goutieren sie den eigens vom Verschiedenen komponierten Trauermarsch „Das geistliche Lied“. Viel Spaß!
Natürlich bin ich der Meinung, daß wir keinen Kaiser brauchen. Trotzdem. Peter Lerch
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