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Doch kein Massaker am Berg Igman

UNO zieht ihren eigenen Bericht zurück / Bosnischer Stoßtrupp überfiel Kommandozentrale der bosnischen Serben und tötete 20 Menschen, diese wurden jedoch nicht verstümmelt  ■ Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) – Die UNO-Beobachter in Bosnien haben gestern ihre eigene Darstellung zurückgenommen, wonach es zu einem „Massaker an bosnischen Serben“ in der Nähe von Sarajevo gekommen sei. Bei einem Angriff der bosnischen Armee auf eine Kommandozentrale der bosnisch-serbischen Armee waren 16 höhere Offiziere und 4 Krankenschwestern getötet worden. In den ersten Berichten hatte es geheißen, die Leichen sei verstümmelt aufgefunden worden. Als Antwort auf die Attacke drohte die Führung der bosnischen Serben gestern in Pale mit Wiederaufnahme der Kämpfe rund um Sarajevo. Es habe sich bei dem Angriff der bosnischen Armee um einen „kriminellen Akt“ gehandelt, „der das Pulverfaß Sarajevo erneut entzünden könnte“. Die für vierzehn Tage unterbrochene Luftbrücke nach Sarajevo sollte gestern nachmittag trotz dieser Drohungen wiederaufgenommen werden.

Am Freitag noch wurde der Hergang des Überfalls von französischen UNO-Soldaten untersucht. Eine abschließende Stellungnahme soll am heutigen Samstag veröffentlicht werden. Nach Angaben des UNO-Sprechers in Zagreb sei ein bosnischer Stoßtrupp am Donnerstag um 5 Uhr morgens in eine Komandozentrale der bosnischen Serben am Berg Igman in der Nähe Sarajevos eingedrungen. Vier serbisch-bosnische Wachsoldaten wurden mit Messern getötet, die in der Kommandozentrale befindlichen Personen erschossen. Es habe jedoch kein Massaker stattgefunden, die Leichen seien nicht, wie ursprünglich gemeldet, grausam verstümmelt worden. „Es handelte sich offenbar um eine rein militärische Aktion“, erklärte ein UNO-Sprecher.

Ungeklärt sind bisher noch die Verbrennungen an einigen der Körper. In Sarajevo vermuten UNO-Offizielle, daß nach dem Tode der Offiziere Benzin über ihre Leichen gegossen und angezündet wurde. Berichte des kroatischen Rundfunks, wonach es sich bei den Leichen um Menschen handele, die schon vor Tagen getötet worden waren, wurde von einem UNO-Sprecher dementiert.

Den Hintergrund für die Aktion der bosnischen Armee bildet der ständige Beschuß von Versorgungsfahrzeugen, die über den Berg Igman nach Sarajevo gelangen können. Obwohl die Region um die Straße, die über den Igman führt, schon im Frühsommer letzten Jahres von der UNO zur einer demilitarisierten Zone erklärt worden war, haben serbische Truppen die Route immer wieder unter Beschuß genommen. Mit dem Angriff auf die regionale Kommandozentrale der serbisch-bosnischen Armee sollte dieser Beschuß offenbar gestoppt werden.

Für die UNO stellt diese Aktion einen Bruch des Abkommens über die demilitarisierte Zone dar. So forderte der Befehlshaber der UNO-Truppen in Bosnien, Michael Rose, Bombenangriffe auf Stellungen der bosnischen Armee in diesem Gebiet, falls die bosnischen Truppen sich nicht umgehend zurückzögen. Die bosnische Regierung weist dagegen darauf hin, daß die UNO-Truppen dem Treiben der serbischen Truppen in der demilitarisierten Zone tatenlos zugesehen hätten. Deren Führer Radovan Karadžić warf der UNO ebenfalls „mangelnde Aufsicht“ in der entmilitarisierten Zone vor. Inzwischen sollen die Truppen beider Seiten aus der Zone zurückgezogen worden sein.

Die Nato will Sarajevo und die anderen Sicherheitszonen in Bosnien voraussichtlich „schneller, wirksamer und angemessener durch Luftangriffe schützen“, wie es in Brüssel gestern hieß. Die bisher üblichen Vorwarnungen für Bombenangriffe sollen unter bestimmten Umständen entfallen.

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