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Haifischfloppenfluppe

Das definitv letzte von der Frankfurter Buchmesse  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Dem „digitalen Prometheus“, der in diesem Jahr auf der Buchmesse entfesselt wurde, begegnete man schon in den Gängen in Gestalt einer lustigen Computerinstallation. Zwischen einem kleinen und einem angeberisch großen Bildschirm saß eine sympathische Frau, die dem interessierten Besucher eine hilfreiche Frankfurt-CD- ROM präsentieren sollte. Da ließen sich sämtliche Verlagsinformationen abfragen, und man konnte auch so einiges über Frankfurt erfahren. Zum Beispiel auch, wo man prima chinesisch essen gehen könnte und welche Spezialitäten es dort gebe. Im Restaurant „Bambusgarten“, berichtete der „digitale Prometheus“, gebe es eine ganz hervorragende „Haifischfloppenfluppe“.

Die Halle, in der zweihundertzwanzig Aussteller ihren Kram präsentierten, ließ eher an freudige Regression als an Zukunft denken. Überall hörte man es piepsen und tuten. Ein entnervender Ron Williams pries alle halbe Stunde mit lauter Stimme interessante CD-I von Philips an. Während sich die Kinder um ihn scharten und die Computerspiele der nächsten Generation anstarrten, ging der Papa ein bißchen weiter und machte an der Bildschirmversion von „Joy of Sex“ rum. „Monty Python“ sind auch vertreten. „Das Ende der Langeweile – CD-I“. Nun ja. Daß „interaktiv“ eine nicht minder große Lüge ist als die Bezeichnung „Kommunikation“ für Werbung oder „Cybersex“ für Onanie, wußte man schon vorher, doch irgendwie war es schon ziemlich dreist, wie MTV-mäßig gestylt (ganz in Schwarz) zum Beispiel die interaktive Crew von Bertelsmann ihren Kram anbot. Die Bertelsmann-Tochter „Telemedia“ kämpft mit drei Multimedia-Unterhaltungs-Labeln um Kunden. „Red Balloon Kids“ erledigt die Vier- bis Zwölfjährigen; Red Balloon „positioniert sich“ mit Musik und Spielen, „telemedia interactive“ besorgt das „Info- und Edutainement“ für den Rest.

Aktive erotische Offenbarung

Auch mittlere Firmen, wie die „Bremer Interaktive Medien“ (B.I.M.), hoffen Teile von dem Markt, der sich so bildet, abzubekommen. Neben Computerspielartigem für die Kleinen, interaktiven Spielfilmversuchen („Dieses obskure Objekt der Begierde“) und Videos (Schillings NDW-Plagiat „Major Tom“) wird „die interaktive erotische Offenbarung“ und „Erotik zum Mitmachen“ mit „einfacher Bedienung“ angeboten: „Weil wir ja auch 'ne Mark machen wollen“, erklärt Firmenchef Dr. Rainer Bartosch. Der Clou bei den nicht besonders schweinisch verkunsteten Standbildern nackter Frauen: Ausschnittvergrößerungen. Die Messe sei für ihn „ein wahnsinniger Erfolg“ gewesen, strahlt er. Und in nächster Zeit gehe es darum, aus „den dubiosen Ecken der Computerläden“ heraus und in die Buchhandlungen zu kommen.

Andere präsentierten diverse Lexika, Shakespeare oder das Spiel „Wehe, wenn Kühnhackl kommt“. „Die Zukunftsvision von Music-Performance“ ist übrigens „die multioptionale Erweiterung des Körperbewußtseins in ein Ganzheitserlebnis von Klang, Bild, Performance und Message“, die die recht seltsamen „Reality Rocker“ von „Mira-Sound“ anbieten. Segensreicher sind da die taz-Jahrgänge auf CD-ROM. Klasse war auch, wie der Dichter Rainald Goetz eine seltsame Techno- und Vorlese-Doppel-CD in der Technodisco „Omen“ vorstellte. Er wirkte dabei fast wie ein freundlich-kluger APO-Agitator (siehe Seite 15).

Ähnlich blöde wie die Elektroabteilung und irgendwie damit zusammenhängend scheint der Boom, den derweil 3-D-Bilderbücher, -Poster und -Postkarten nehmen. Ungefähr zehn unsympathische Verlage bieten derlei recht erfolgreich an.

In den Gängen, zwischen den Hallen, auf Bänken, die Berliner Zeitung auf den Knien oder auf dem Boden hingestreckt, schlafen viele in den unterschiedlichsten Positionen. Andere gehen in den „Raum der Stille“, einen schalldichten und abgedunkelten Saal, in dem man sich bei gregorianischen Gesängen und Dias glücklicher Nonnen und Mönche „schweigend sammeln und erholen“ kann. Hier ist immer was los.

Recht erholsam ist es auch beim gemeinsamen Stand von Werner Piepers Medienexperimenten (den gibt's immer noch) und dem drogenfreundlichen „Nachtschatten Verlag“. Auf einladenden Sofas lümmeln sich die sympathischen Althippies herum und genießen die Messe. „Custo“ vom „Nachtschatten“ kifft dabei gern und überzeugt vor allem durch imposante Augenringe.

Die Nacht, erzählt der 46jährige Schweizer Musikwissenschaftler begeistert, habe er in der Technodisco „Omen“ durchgetanzt. Demnächst wolle er ein Buch über „Techno und Drogen“ schreiben. An den Stand kämen vor allem Lehrer, Sozialarbeiter, Regierungsräte und Eltern, die wissen wollen, ob es gefährlich sei, „wenn meine Tochter kifft“. Viele Buchhändler hätten Angst, sich Bücher über LSD, Hanf und das Recht auf Rausch in die Regale zu stellen. So werde das meiste direkt bestellt. 1995, so hofft er, wird es in der Schweiz eine Volksabstimmung in Sachen Drogenlegalisierung geben. Die Messe sei unpolitischer geworden, findet „Custo“ und verabschiedet mich mit einem Hinweis auf ein ganz tolles Buch über Ecstasy.

Die Titanic führte eine Wahl zwischen dem „Oberförster“ und der „Ziege“ durch, an der sich tatsächlich viele Besucher beteiligten. „Ziege“ ward weit abgeschlagen. Auf der Straße sah es anders aus. Ein Teeniemädchen meinte zu seiner Freundin: „Ach, Bundeskanzler Kohl ... der wird sowieso umgebracht!“ Die Freundin entgegnete: „Aber er hat doch Bodyguards.“ – „Trotzdem!“

Hannes vom Rotbuch-Verlag berichtete von einem anderen, dem „Tosca-Attentat“, das auf den Ex-„Rotbuch“- und Jetzt-„Fischer“-Lektor Martin Bauer verübt werden sollte und dann doch irgendwie schon im Ansatz scheiterte. Als Martin Bauer dann plötzlich kam, war von anderem die Rede. Daß es schon eine ziemliche Frechheit sei, daß Herr Unseld nicht zur Friedenspreisverleihung seines Autors Jorge Semprun kommen würde, daß einige Verlage keine neuen Bücher hatten, weil bei der Leipziger Druckerei Nexö sechs Wochen lang die Maschinen stillstanden, und daß viele Herren in langen Mänteln sich gerne beim „Konkursbuch-Verlag“ die Jahrbücher der Erotik anschauen täten. Sie bückten sich dabei, „wegen der Beule in der Hose“. Hannes spielte dabei mit dem „Magnus Wichsbär“, einem onanierenden Hampelmann. Am Rande sagte einer, daß Ralf König nach Rußland verkauft werde.

Der von vielen heißersehnte, der neue Theweleit, war leider nicht fertig geworden. Nur ein dickes Buch mit weißen Seiten und schickem Einband lag traurig da bei „Stroemfeld“.

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