■ Saddam Hussein läßt Truppen an der Grenze zu Kuwait aufmarschieren, um aufs Embargo aufmerksam zu machen
: Schwach und doch stark genug

Das Szenario erinnert fatal an das Vorspiel zum letzten Golfkrieg. Irakische Truppen marschieren Richtung Kuwait, die USA setzen ihre Militärmaschinerie in Gang. CNN geht auf Life-Schaltung.

Was will Saddam Hussein mit seiner neuen Initiative erreichen? Solange sich die irakischen Truppen auf eigenem Territorium bewegen, riskiert die Regierung in Bagdad wenig. Nach internationalem Recht ist das durchaus legitim. Aber selbst wenn Saddams Truppen keinen Fuß in kuwaitisches Territorium setzen: Die Region und die „internationale Gemeinschaft“ sind wachgerüttelt.

Zu beweisen, daß er immer noch genug Ärger machen kann, könnte eines der wichtigsten Motive für Saddam Hussein sein. Das seit vier Jahren andauernde Wirtschaftsembargo scheint inzwischen Ausdruck der Inanspruchnahme eines Naturrechts zu sein. Mit den Truppenbewegungen setzt Saddam das ungelöste Problem Irak wieder ganz oben auf die internationale Tagesordnung. Immer wenn es um das Embargo wieder still wird, tritt Bagdad in Aktion, verschiebt Raketen, verletzt Schutzzonen oder bewegt massenweise Truppen. Ein inzwischen altbewährter Mechanismus.

Mögen US-Politiker wie Außenminister Christopher jetzt auch öffentlich kundgeben, daß irakische Truppenaufmärsche die Notwendigkeit eines Embargos nur bestätigen. Es wird ihnen doch wieder vor Augen geführt, daß ihre offizielle Irak-Politik bislang nicht von Erfolg gekrönt ist. Das Regime in Bagdad ist immer noch stark genug, um in der sensiblen Ölregion kurzfristig für Unruhe zu sorgen. Saddam Hussein scheint trotz Embargos fest im Sattel.

Das Dilemma der Alliierten ist offensichtlich: Sie wollen den Irak klein halten, aber an einem auseinanderfallenden Nationalstaat am Euphrat sind sie nicht interessiert. Ein antitürkischer und damit Anti-Nato- Staat Kurdistan im Norden und ein mit dem Feind Nummer zwei, dem Iran, verbundener schiitischer Staat im Süden sind den westlichen Strategen ein Alptraum.

Ohnehin zeigte sich in den letzten Jahren, daß den USA an den Menschenrechten im Irak herzlich wenig „liegt, arbeitet Washington doch mit Hilfe der UNO fast ausschließlich an der Zerstörung des irakischen Militärpotentials. Keine Macht am Golf soll jemals wieder den Ölfluß stören. Ist das einmal erreicht, und es gibt Hinweise, die darauf hindeuten, daß dieser Punkt nicht in allzuweiter Zukunft liegt, dann ist es vielleicht zynischerweise gerade der Diktator Saddam Hussein, der im Dienst der Alliierten ein Auseinanderfallen des irakischen Staates verhindern kann. Karim El-Gawhary