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Der braune Jörgl läßt die anderen blaß aussehen

■ Haiders „Freiheitliche Partei“ (FPÖ) gewinnt bei Wahlen in Österreich kräftig dazu / Regierungsparteien verlieren Zweidrittelmehrheit

Wien (dpa/AFP/taz) – Bei den Parlamentswahlen in Österreich haben gestern die Regierungsparteien, die Sozialdemokraten (SPÖ) und die konservative Volkspartei (ÖVP), erhebliche Stimmenverluste hinnehmen müssen. Klare Gewinne gab es für den Rechtspopulisten Jörg Haider, dessen Freiheitliche Partei (FPÖ) erstmals die 20-Prozent-Hürde übersprang. Die beiden Regierungsparteien zusammen haben erstmals die zur Verabschiedung von Verfassungsgesetzen notwendige Zweidrittelmehrheit verloren.

Nach einer Hochrechung des österreichischen Fernsehens büßte die SPÖ 7,4 Prozentpunkte ein und kommt mit 35,4 Prozent auf ihr bisher schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte. Die ÖVP kommt danach auf 27,9 Prozent (minus 4,2 Prozentpunkte) und somit ebenfalls auf einen historischen Tiefstand. Die FPÖ könnte 22,8 Prozent erringen (plus 6,2 Prozent). Für die Grünen wurden 6,9 Prozent (plus 2,1 Prozentpunkte) hochgerechnet. Das Liberale Forum stand in den Hochrechnungen bei 5,3 Prozent.

Rechnerisch wäre damit eine knappe gemeinsame Mehrheit von ÖVP und FPÖ im Parlament möglich. In den letzten Wochen vor der Wahl war über einen Schwenk der Konservativen zur FPÖ spekuliert worden. Gestern abend erklärten jedoch mehrere prominente ÖVP-Politiker, sie wollten die bestehende Koalition fortsetzen. Auch Haider sah seine Zukunft in der Opposition. Kanzler Vranitzky könne „nicht aus der Verantwortung entlassen werden“, sondern müsse „die Suppe auslöffeln, die er uns eingebrockt hat“, erklärte er.

Als große Überraschung wurde das Abschneiden des Liberalen Forum (LF) gewertet, das sich 1993 von der FPÖ abgespalten hatte: Die Partei um die frühere stellvertretende FPÖ-Vorsitzende Heide Schmidt dürfte die Vier-Prozent-Hürde glatt überwunden haben. Auch die Grünen legten erheblich zu.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Cap sprach von einer klaren Niederlage seiner Partei. FPÖ-Geschäftsführer Gernot Rumpolt sagte, es gebe keine Großparteien mehr, sondern nur noch „drei Mittelparteien“. ÖVP-Generalsekretär Wilhelm Molterer nannte als mögliche Ursache der Verluste seiner Partei, daß wichtige strategische Fragen nicht beantwortet worden seien.

Die FPÖ ist mit dem Wahlergebnis der ÖVP nahegerückt wie noch nie. Haider schaffte im Lauf seines FPÖ-Vorsitzes, den er 1986 übernommen hatte, problemlos den Schwenk vom „Parade-Liberalen“ über den Vertreter der Yuppie-Generation hin zum Volkstribun und Anwalt der kleinen Leute. Kaum eine Wahl ist vergangen, bei der Haiders FPÖ nicht zulegen konnte. In drei Bundesländern - Kärnten, Wien und Vorarlberg - ist die FPÖ schon zweitstärkste Kraft in den Parlamenten.

Der Rechtspopulist hatte zunächst im bürgerlichen Lager gepunktet, in den letzten Jahren brach er jedoch mit zunehmenden Erfolg in traditionelle sozialdemokratische Wählerschichten ein: „Einfach ehrlich - einfach Jörg“, war sein Leitspruch im Wahlkampf, in dem er erneut Ausländer für die steigende Kriminalität verantwortlich machte, der „repräsentativen Demokratie“ den Kampf ansagte und sich für die Abschaffung der Parteien aussprach, um sie durch „Bürgerbewegungen“ zu ersetzen. Mit dem gestrigen Wahlergebnis ist Haider seinem erklärten Ziel, 1998 Bundeskanzler zu werden, ein deutliches Stück näher gekommen. Jetzt dürften sich in der ÖVP die Stimmen mehren, die für einen Wechsel zur FPÖ votieren.

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