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Tinte, Blut und andere Flüssigkeiten

■ Bremer Comiczeichner über die nackten Tatsachen ihres Mediums/ 14 Comictage im Lagerhaus & umzu

Die ganze Comicwelt ist usurpiert von blutgeilen Helden, sabbernden Monstern und kreischenden Busenwundern. Die ganze Welt? Mitnichten; ein kleines, norddeutsches Dorf leistet seit über fünf Jahren Widerstand gegen die Comic-Klischees – jedenfalls ein bißchen. Solange existiert jedenfalls das heimische Magazin „Panel“. Jetzt kommen die Zeichner aus dem Umfeld des Hefts aus ihrem Comic-Underground ans Licht der Öffentlichkeit. Zwei Wochen lang stellen sie in diversen Veranstaltungen ihre Bilder und Ideen vor (s. Kasten). Der taz erzählten sie, warum das alles so schwierig ist.

taz: Warum eigentlich gibt es in Deutschland kaum ein Comicmagazin, das ohne riesenhafte Titten & Ärsche auskommt?

Maura: Was? Das stimmt doch gar nicht!

Andreas Keiser: Es gibt auch andere Fanzines. Klar kommt da mal 'ne nackte Frau drin vor...

Maura: Meistens sind das aber eher Parodien, wo diese Sachen übertrieben werden und die Klischees aus den U-Comix bloßgestellt werden.

Peka: Ich denke, solche Sachen sind im Underground auch weniger geworden. Es sind doch eher die Comicleute aus den 70ern, die ihre Kiffer- und Bumsgeschichten zeichnen. Aber was die jüngeren Leute machen, die ganzen Graffiti-Zeichner zum Beispiel – das hat wenig mit Titten & Ärschen zu tun.

Ist das tatsächlich eine Generationsfrage?

Peka: Ich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, daß das Thema „Sex & Drugs & Rock'n'Roll“ abgelöst wurde durch andere Sachen. Die „Freak Brothers“ zum Beispiel stellten einfach eine Art von Lebengefühl her. Da war das zentrale Thema eben: „Wie werde ich breit?“. Heute hingegen wird das Gewaltding immer heftiger. Es gibt Leute, die wirklich ausschließlich Gewaltstories zeichnen. Die sind gerade im Fanzine-Bereich stark vertreten. Natürlich macht man den Kram irgendwie ja auch, um in irgendeiner Art und Weise zu schockieren. Und das ist eben nicht mehr so einfach.

Atta: Sexistische Sachen kommen immer noch genug vor. Das hat sich zwar ein bißchen auf eine andere Ebene verschoben, ist aber nicht weniger übel als die alten Sachen.

Damit bestätigt Ihr natürlich sehr schön die alten Klischees der Sorte: Comix – sowieso nur pubertäres Zeugs; dabei kann sowieso nichts anderes herauskommen als Splatter oder Sex.

Keiser: Na, ja: Bei mir kommt zum Beispiel in fast jeder Geschichte die Hauptperson um.

Maura: Das ist doch bloß, damit Du die gleiche Figur nicht zweimal zeichnen mußt!

Keiser: Mir geht es dabei um das Extreme, nicht um die Gewalt an sich, also, daß da jetzt irgendwelche Monster vom Mars kommen und die Erde plattmachen – solche Geschichten erzähle ich nicht. In einer Geschichte ist die Hauptfigur jemand, der ein sehr geregeltes Leben führt. Im Grunde aber hat er sein Leben schon verpfuscht, nicht verheiratet und mit dem Job auch nicht zufrieden. Auf einem Parkplatz findet er nachts eine kleine Kinderpuppe. Die nimmt er mit ins Bett und schläft mit ihr. Ganz am Ende schlitzt er sie auf. Nachdem er abgespritzt hat, kommt er damit nicht mehr klar und springt aus dem Fenster. Das ist natürlich gewalttätig. Aber die Gewalt hat eigentlich schon vorher stattgefunden, im Leben dieser Leute. Irgendwann eskaliert das dann.

Damit ist ein Vier-Seiten-Comic doch überfordert.

Peka: Aber das ist doch einfach Sache, „Gewalt“. Fast alle Hip-Hop-Texte handeln von Gewalt. Ich meine, worüber soll man denn heute zeichnen. Sehr vorsichtige und leise Geschichten könne nur ganz wenige Leute erzählen. Sowas ist natürlich auch um vieles schwieriger.

Atta: Noch schwieriger wird's natürlich, wenn man mal 'ne Frau als Zeicherin dabeihaben willst. Es gibt natürlich Cartoonistinnen, die schon bei „Brigitte“ fett auf der Lohnliste stehen. Aber sowas paßt natürlich nicht in Fanzines.

Du zeichnest selbst nicht?

Atta: Ich krieg' immer nur 'ne 3 minus von Peka. Ich hab' aber auch keine Lust, in einer Redaktion mitzuarbeiten, in der ich die einzige Frau bin. Das ist mega-anstrengend. Ich würde mir aber wünschen, daß da mehr Frauen mit ihren Geschichten an Land kämen. Es gibt viele Frauen, die phantastisch zeichnen können. Aber die lassen ihr Zeug in der Schublade. Und die ganzen pubertierenden Jünglinge sind selbstbewußt genug, ihren Schund zu drucken. Das liegt vor allem daran, daß die Fanzine-Redaktionen meistens fest in männlicher Hand sind.

Maura: Also, das ist doch echt Schwachsinn!

Peka: Genau Maura freut sich über jede neue Zeichnerin...

Maura: Wenn mir Frauen mal Material schicken würden, das gut ist, ja; aber nur, weil es eine Zeichnerin ist, drucke ich nichts ab.

Atta: Ulrike Schröder, die echt super zeichnet und hier auch im „Panel“ veröffentlicht, hat sich sogar schon überlegt, ob sie sich ein männliches Pseudonym zulegt, weil sie keinen Bock hat, unter irgendeiner Behindertenquote abgedruckt zu werden. Das Problem geht aber schon da los, wo du in einen Comicladen gehst und dich durch 80 Prozent sexistische Scheiße wühlen mußt. Da ist es kein Wunder, wenn viele Frauen sagen: Comic ist nicht unser Medium. Da gibt es noch viel aufzuholen. Fragen: tom

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