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■ Mit dem 3.10. auf Du und DuRichter wehren sich

Die Schlagzeile hatte gesessen: Nach den Krawallen am dritten Oktober hatten Albert Marken, Chef der Polizeigewerkschaft und der CDU-Innenpolitiker Ralf Borttscheller schweres Geschütz gegen die Bremer Richterschaft aufgefahren. Die hätten die gewalttätigen Demonstranten wieder laufen lassen. Sogar die Rädelsführer seien schon kurz nach der Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt worden, hatte Marken kritisiert. Seine Kollegen seien „wütend und frustriert“ ob dieser „blauäugigen Richter“. Und der CDU-Mann Borttscheller hatte assistiert, solche Richter seien „symptomatisch“ für Bremen. Die Richter haben sich nun in einer Erklärung der Richter in der ÖTV zur Wehr gesetzt.

Je zwei Richter hatten an beiden Tagen Eildienst in Oslebshausen. Obwohl sie bis 23 Uhr Dienst taten, hatten die beiden von der ersten Schicht am 2.10. rein gar nichts zu tun. Sie bekamen keinen der siebzig festgenommenen Demonstranten zu Gesicht, obwohl sich unter den Festgenommenen angeblich die vier „Rädelsführer“ befunden haben sollen. Die waren schon gegen 17 Uhr festgesetzt worden. Nach den gesetztlichen Bestimmungen hätten sie „unverzüglich“ dem Richter vorgeführt werden müssen, wenn es zu einer weitern Inhaftierung hätte kommen sollen. Doch die Polizei war erst im Laufe der Nacht in der Lage, ordentliche Anträge für die weitere Haft zu formulieren. Die lagen dann den beiden Richtern der zweiten Schicht vor, die am Montag morgen ihren Dienst antraten. Die prüften, fragten nach – aber die Polizei als Antragstellerin hatte den angeblichen Rädelsführern weder eine konkrete Straftat nachweisen, noch plausibel machen können, warum die vier weiter in Haft bleiben sollten. „Wir mußten die freilassen“, sagte einer der Richter gestern. Das geschah gegen 15 Uhr, zwanzig Stunden nach der Verhaftung.

Danach hatten es die Richter ganz einfach. 274 DemonstrantInnen waren am 3.10. festgenommen worden, zehn Anträge hatte sie an die Richter gestellt – aber was für welche. „War auf dem Weg zur Demo“, schlimmer waren die Vorwürfe nicht. „Dünne bis gar keine Begründungen“, kommentierte einer der Richter. Von Straftaten sei in keinem Fall die Rede gewesen. Nachdem die Richter drei Anträge abgelehnt hatten, zog die Polizei alle weiteren Anträge zurück.

Es sei „mehr als befremdlich“, finden nun die ÖTV-Richter, wenn das als „blauäugig“ bezeichnet werde. „Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Kritiker von eigenen Versäumnissen ablenken wollen.“ J.G.

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