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Menschenhandel der modernen Art

■ Angeklagter soll junge Frau geschlagen und zur Prostitution gezwungen haben Der dreißigjährige Arbeitslose wurde zu drei Jahren Haft verurteilt

Immer wieder schüttelte der Angeklagte ungläubig den Kopf, während die Zeugen aussagten, daß er seiner Ex-Freundin gegenüber äußerst brutal aufgetreten sei und sie mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen habe. Beim gestrigen Prozeß vor der 17. Großen Strafkammer beschuldigte die Staatsanwaltschaft einen 30jährigen Mann der Zuhälterei und des schweren Menschenhandels. Eine Anklage, die selbst in ihrer modernen Variante, bei der Frauen aus dem Ostblock oder aus Südostasien mit falschen Versprechungen nach Europa gelockt und zur Prostitution gezwungen werden, unwillkürlich an Sklavenschiffe erinnert, die einst orientalische Sklavenmärkte belieferten. Der arbeitslose Frank P. soll, so die Anklageschrift, zwischen Dezember 1993 und März 1994 seine damalige Freundin zunächst durch Überredung, später jedoch mit Gewalt dazu gebracht haben, für ihn in mehreren Bordellen der Prostitution nachzugehen. Darüber hinaus habe er die Geschädigte gezwungen, einen Teil ihrer Einnahmen an ihn abzugeben. Die Anklage legt Frank P. außerdem einen Raub zum Nachteil der Geschädigten und an einem anderen Zeugen begangene Körperverletzung zur Last. Seine Ex-Freundin Jaqueline W., mit der zusammen Frank P. einen vierjährigen Sohn hat, trat bei dem Prozeß als Nebenklägerin auf. Bei der polizeilichen Vernehmung im März dieses Jahres hatte sie ihren ehemaligen Freund noch schwer belastet, doch mittlerweile mochte sie nicht mehr so richtig zu ihrer Aussage stehen. Einerseits beklagte sie den brutalen Umgang des Angeklagten und schilderte, wie er sie geschlagen und ihr zuvor geschenkte Gegenstände geraubt habe. Andererseits beschrieb sie ihn als liebevollen Vater.

Ihre ambivalente Haltung gegenüber dem seit März inhaftierten Angeklagten war offensichtlich. Bis zuletzt hat sie ihrem Ex- Freund lange Briefe ins Gefängnis geschrieben. Zum eigentlich zur Verhandlung stehenden Komplex mochte sie aus Furcht, sich selbst zu belasten, nicht aussagen. Schließlich habe sie in der Zeit, als sie im Bordell arbeitete, gleichzeitig Sozialhilfe kassiert. Obwohl für den Richter feststeht, daß die 22jährige als Prostituierte gearbeitet hat, verzichtete die Kammer auf ihre Aussage.

Ein Mann, der die junge Frau bei seinen gelegentlichen Bordellbesuchen näher kennengelernt hatte, schilderte, wie Jaqueline W. ihm erzählt habe, ihr Mann zwinge sie, auf den Strich zu gehen. Im März 1994 habe der Angeklagte ihm und Jaqueline W. im Treppenhaus aufgelauert und sie beide massiv bedroht sowie ihr eine Halskette vom Hals gerissen. Als sie bereits im Wagen saßen, habe der stark angetrunkene Frank P. gegen die Autotür getreten und dabei sein Bein eingequetscht. Anschließend habe er ihn geschlagen und am Kiefer verletzt.

Die Eltern der Geschädigten beschworen nachdrücklich die Brutalität von Frank P. und sagten aus, daß er nicht nur ihre Tochter übel zugerichtet, sondern auch ihnen mehrfach telefonisch gedroht habe, sie umbringen zu lassen.

Die Strafkammer verurteilte Frank P. wegen gefährlicher Körperverletzung, dirigistischer Zuhälterei und Menschenhandels zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Peter Lerch

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