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„Pflichtwidriges Hoheitshandeln“

■ Aids-Bluter-Untersuchungsbericht prangert Industrie an

Berlin/Bonn (taz) – Ein „Gesetz über Schmerzensgeld bei Arzneimittelkatastrophen“ fordert der SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Schmidbauer als Konsequenz aus dem Bonner Aids-Bluter-Skandal. Wegen der profitorientierten Sicherheitspolitik der Pharmakonzerne und des Versagens der früheren Gesundheitsminister Heiner Geißler und Rita Süssmuth (beide CDU) wurden seit Beginn der 80er Jahre mindestens 2.500 Bluter durch Medikamente mit dem HI-Virus infiziert. Etwa 1.000 dieser Patienten sind bereits gestorben.

„Pflichtwidriges Hoheitshandeln“ nennt das der Abschlußbericht des Aids-Bluter-Untersuchungsausschusses des Bundestages, der derzeit erarbeitet wird. Wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, wird in dem Bericht neben den Bonner Amtsträgern auch Ärzten, Aufsichtsbehörden wie dem Bundesgesundheitsamt und Pharmafirmen Schuld zugewiesen. Diese hätten „sorgfaltswidrig“ gehandelt.

Der Abgeordnete Schmidbauer, SPD-Obmann des Aids- Bluter-U-Ausschusses des Bundestages, bezeichnet die Pharmakonzerne als die „Hauptschuldigen“ des Skandals. Diese haben Verfahren zur Inaktivierung der HI-Viren in Blutkonserven nur schleppend eingeführt. Die Minister wiederum hätten sich wissenschaftlich schlecht beraten lassen und sich gegen Betroffene abgeschottet. Die Pharmaindustrie, so Schmidbauer, habe „mit vollem Wissen gehandelt“ und „sich im Zweifelsfall für den Profit entschieden“. Um jahrelange Prozesse zu vermeiden, empfiehlt Schmidbauer den pharmazeutischen Betrieben, sich an einem Ausgleichfonds zugunsten der Patienten zu beteiligen.

Gleichzeitig hält der SPD-Mann eine grundsätzliche Gesetzesregelung zur Patientenentschädigung für notwendig. Die wirtschaftsliberale FDP lehnt Ausgleichszahlungen (schätzungsweise 350.000 Mark pro betroffenen Patienten) rundheraus ab. Veröffentlicht werden soll der Abschlußbericht des U-Ausschusses im November. Hans-Hermann Kotte

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