4. Gewalt am Ende?

■ Über das neue Verhältnis von Medien und Politik: Eine Podiumsdiskussion

Die Veranstaltung lockte knapp 60 Gäste. Einer bemerkte: „Vor zwanzig Jahren hätte das Thema noch viele interessiert.“ Auf der Buchmesse hatte die Frankfurter Rundschau ausgewählte Prominente zu einer Diskussion über das Verhältnis zwischen Medien und Politik geladen. Ob die Ränge wohl so licht blieben, weil die Öffentlichkeit die Zusammenballung der Medienmächte längst akzeptiert hat? Schätzt man gar den neuen, buntbebilderten journalistischen Stil à la Focus und Tango? Angeblich wollen sie informieren, tatsächlich jedoch „das Gegenteil des kritischen Journalismus etablieren“, wie Roderich Reifenrath (FR) kritisch anmerkte.

„Italienische Verhältnisse?

Auch Joachim Wagner, stellvertretender Chefredakteur beim NDR und für das Politmagazin „Panorama“ zuständig, hat seine Erfahrungen mit der sich ändernden Medienlandschaft. Nach jeder „Panorama“-Sendung gebe es ein bis zwei rechtliche Auseinandersetzungen, die journalistische Arbeit sei schwieriger geworden. Daß es auch seine guten Seiten hat, wenn sich die Betroffenen neuerdings vermehrt zu Wort melden und ihr Recht auf eine Gegendarstellung in Anspruch nehmen, kam leider nicht zur Sprache. Denn die Furcht vor „italienischen Verhältnissen“ und ein Unbehagen am schleichenden Zusammenwachsen von Politik und Medien prägen zur Zeit das Gespräch über die Medien und die Alltagspraxis kritischer Journalisten.

Ob die machtvolle Konzentration von Printmedien und kommerziellen Radio- und Fernsehsendern „noch aufzuhalten ist“, fragte Jutta Roitsch (FR), Albrecht Müller, Bundestagsabgeordneter der SPD, beanstandete die neue Mesalliance zwischen Politik und Journalismus: Beide Seiten fühlten sich zunehmend nur der Unterhaltung verpflichtet. Erkenntnisse der kritischen Medienwissenschaft, die vor dem Abbau der vierten Gewalt in demokratischen Staaten warnt, würden weder von etablierten Politikern noch von angepaßten Journalisten hinreichend beachtet oder sogar absichtlich außer acht gelassen.

Erklärungen dafür gibt es viele: Der Markt für Journalisten ist enger geworden. Der Kampf um die raren Arbeitsplätze bestärkt die Journalisten offenbar in ihrer unkritischen Haltung, Erfolg hat, wer gefällig schreibt.

Helmut Simon, Verfassungsrichter i.R., warnte die aalglatten Berichterstatter mit großen Worten: „Schmusekurs und Gefälligkeitsjournalismus sind gefährlich“, sie schaden der Meinungsfreiheit, dem „vornehmsten aller Menschenrechte“. Deswegen sollte zukünftig ein Medienrat auf Verfehlungen hinweisen, damit Journalisten nicht länger Verlautbarungen der Politiker übernehmen, sondern wieder vermehrt recherchieren und verstärkt zur eigenständigen Urteilsbildung anregen. Der Anhäufung der Pressemacht sei so entgegenzuwirken, um im Interesse der Demokratie die vierte Gewalt – neben Legislative, Exekutive und Judikative – zu kräftigen.

Schales Fazit: Guter Rat ist teuer

Ob die Journalisten die Ratschläge nun wohl auch beherzigen können? Nach Albrecht Müllers Plädoyer für einen allseits kritischen Journalismus brachte Martin Schulz, selbst einer der wenigen, die den Politikelefanten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zuweilen auch kritische Fragen stellen, das Dilemma der Diskussion auf den Punkt: „Das alles wissen wir doch schon seit Jahren. Aber was sollen wir tun?“ Helmut Gerhard Müller/

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