„Theaterjahre sind Hundejahre“

■ Mit „Weismann und Rotgesicht“ feiert die Basilika Jubiläum

Wir sitzen auf der Galerie in einem der schönsten Theaterräume Hamburgs. Leere Pizza-Service-Pappen liegen herum. Von unten dringt Hämmern nach oben. Gunnar Dreßler hat Schatten unter den Augen. Bis zum Samstag wurde im Theater in der Basilika noch die Offene Zweierbeziehung gegeben. Heute abend hat Georg Taboris Weismann und Rotgesicht Premiere. Fünf Tage für die Einrichtung des Bühnenbildes sowie die Endproben, das ist für ein privat geführtes Haus mit chronischer personeller Unterbesetzung und stets knapper Kasse keine sehr lange Zeit.

Doch Gunnar Dreßler ist Streß gewöhnt, schließlich hat er mittlerweile schon 32 Inszenierungen herausgebracht. Heute auf den Tag genau vor fünf Jahren hob sich an dem von ihm gegründeten Theater zum ersten Mal der Vorhang. Doch von der Zeit, als er die ehemalige Maschinenfabrik entdeckte und in einem 18monatigen Kampf mit nahezu allen Behörden Hamburgs den Umbau durchsetzte, redet der Leiter, Dramaturg, Öffentlichkeitsarbeiter und Regisseur des Hauses seltsam entrückt. Theaterjahre zählen manchmal wie Hundejahre.

Mit mehr Engagement redet er da schon über die Gegenwart. Und das heißt auch über Geld reden. Zwar ist sein Konzept mit zwei Standbeinen bisher recht gut aufgegangen. Neben hehren literarischen Stücken hatte die Basilika stets auch Kassenfüller im Programm, Komödien von Dario Fo oder Woody Allen etwa. Und die Offene Zweierbeziehung geht sozusagen als Allzweckwaffe schon in ihre fünfte Saison. Letzte Spielzeit wurden so 450.000 Mark eingespielt. Zusammen mit den 172.000 Mark Subventionen kommt man schon über die Runden, irgendwie.

Aber das Privileg einer inhaltlich spannenden Arbeit müssen er und seine beiden Festangestellten mit gehöriger Selbstausbeutung bezahlen. Nicht, daß er etwas fordern wolle, Gunnar Dreßler ruckelt ein wenig auf dem Stuhl, aber 200.000 Mark Subvention mehr würden halt die Weiterarbeit leichter machen. Und, man verstehe ihn recht, irgendwie seien sie auch verdient. Schließlich habe sich sein Theater in kürzester Zeit unter Hamburgs Privattheatern etabliert.

Eigentlich sieht das Gewicht, das Gunnar Dreßler in Subventi-onsneuverhandlungen werfen kann, gar nicht schlecht aus. Zwischen den grauen Stahlträgern und den unverputzten roten Klinkerwänden wird unter uns gerade für Taboris jüdischen Western letzte Hand an die Wüste auf der Bühne gelegt. Wenn auch nicht jedes Projekt klappte – daß er diesen schönen Raum seit fünf Jahren immer wieder aufs neue in einen Theaterraum verwandelt, wird dermaleinst auf seiner Habenseite stehen. Vielleicht schaut ja heute abend, wenn sich der Jubiläums-Vorhang öffnet, auch der Altonaer Mond durch das Glasdach zu. Dirk Knipphals