: Alles bleibt offen im Bahnhofsviertel
■ Städtebaulicher Wettbewerb zum Stadtquartier Lehrter Bahnhof brachte keine Entscheidung / Nur vier zweite Plätze
Ohne einen Gewinner und ohne ein endgültiges Ergebnis endete gestern der städtebauliche Wettbewerb für das neue Bahnhofsviertel am Lehrter Bahnhof. Das Preisgericht unter dem Vorsitz des Frankfurter Architekten Albert Speer (jr.) entschied lediglich, vier der vierzehn eingereichten Entwürfe „in die engere Wahl zu nehmen“. Die Planungen von Max Dudler (Berlin) und Christoph Ingenhoven (Düsseldorf), Holger Nettbaum (Berlin) sowie Oswald Mathias Ungers mit Stefan Vieths (Köln) „sollen nach einer Überarbeitung“ Ende November in einer zweiten Stufe noch einmal von der Jury begutachtet und „abschließend bewertet werden“, wie Heiko Achilles vom Auslober Tishman Speyer Properties mitteilte. Man hoffe dann, einen Sieger präsentieren zu können. Die Architekten erhielten für ihre jetzigen Wettbewerbsbeiträge trotzdem Preisgelder von je 60.000 Mark.
Tishman Speyer Properties machte aus der Enttäuschung über das unzureichende Ergebnis keinen Hehl. Statt, wie angekündigt, in einer Pressekonferenz die Entwürfe sowie die Juryentscheidung zu kommentieren, sagte der amerikanische Investor den Pressetermin kurzfristig ab. Die eingereichten Arbeiten genügten weder „den Anforderungen noch der Komplexität der gestellten Aufgabe“, erklärte Achilles.
Der amerikanische Projektentwickler hatte den städtebaulichen Wettbewerb im Auftrag der Bahn AG, des größten Grundstücksbesitzers vor Ort, im Sommer unter 14 internationalen Teams ausgelobt. Im Umfeld des neuen Zentralbahnhofs soll in den kommenden 10 Jahren auf 30 Hektar ein großer Stadtteil für Geschäfte, Büros, Kinos und Hotels mit 400.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche entstehen. Vorgabe für das Gelände war das quadratische Blockraster, das Axel Schultes im Spreebogenwettbewerb 1993 plante. Darüber hinaus sollte die typische Berliner Traufhöhe von 22 Metern respektiert und ein Grünbereich entworfen werden.
Die eingereichten Arbeiten gingen alle über die verlangte Höhenvorgabe und den städtebaulichen Maßstab auf dem Gelände zwischen dem Spreebogen und der Invalidenstraße hinaus. Ingenhoven beispielsweise arrangierte ein Hochhaus am Humboldthafen, und Oswald Mathias Ungers verwandelt das Gelände in ein enges steinernes Netz, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Insgesamt orientierten sich die vier Architekten eher an der dichten Blockstruktur von Axel Schultes und nicht an dem Maßstab der bestehenden Stadt. Außer dem Investor Tishman Speyer, der in der zweiten Runde auf einen differenzierteren Umgang mit dem Areal gegenüber dem Regierungsviertel hofft, wollte gestern weder Senatsbaudirektor Hans Stimmann, der im Preisgericht saß, noch der Juryvorsitzende Albert Speer zu dem Ergebnis Stellung nehmen: No comment. Rolf Lautenschläger
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